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US-Publizist kritisiert die Brüsseler Politik gegenüber Haider

 
     
 
Unter der Überschrift "Die Politik der Schuld. Österreichs Engstirnigkeit, Europas Bürde"findet sich in der neuesten Ausgabe des regierungsnahen US-Periodikums "Foreign Affairs"(Mai-Juni 2000)

ein Beitrag von Andrew Nagorski zur Regierungsbeteiligung der FPÖ in Österreich. Nagorski, Chefredakteur von "Newsweek International", war Chef des Berliner Büros von Newsweek in der Zeit von 1996 bis 1999. In seinem Beitrag setzt sich Nagorski kritisch mit den Sanktionen der EU gegenüber Österreich auseinander, die er als falsche politische Antwort auf Haider deutet. Seiner Auffassung nach verdeckt die "Politik der Schuld"die wahren Gründe des Erfolges von Jörg Haider. Keineswegs sei der Aufstieg Haiders auf dessen angebliche Bedienung neonazis
tischer Positionen zurückzuführen.

Wörtlich stellt Nagorski gleich zu Beginn fest: "Das aufgeregte Spektakel um den Eintritt von Jörg Haiders rechter FPÖ in eine Regierungskoaltion veranschaulicht, wie eine diskreditierte Vergangenheit (gemeint ist die NS-Vergangenheit) zu falschen Schlußfolgerungen in der gegenwärtigen Politik führt."Haiders Erfolg, so Nagorski, beruhe in erster Linie auf einer weitreichenden Enttäuschung der Österreicher über ihre politische Führungsschicht. Diese resultiert vorrangig aus den Zeiten der Großen Koalition zwischen 1945 und 1966 bzw. 1986 bis 1999, in der sich ÖVP und SPÖ die Pfründe einer weitgehend staatlich kontrollierten Wirtschaft aufgeteilt hätten. In einer derartigen Situation gewinne eine dritte Kraft, die die Unzufriedenheit in der Bevölkerung aufnehme und sich selbst als Reform-Partei stilisiere, in den Meinungsumfragen zwangsläufig ständig an Boden. Genau dies sei in Österreich geschehen, schlußfolgert Nagorski.

Die EU-Staaten hätten sich geweigert, zur Kenntnis zu nehmen, wie geschickt Haider die Karte der berechtigten Unzufriedenheit über die Zustände in Österreich mit dem Thema "Fremdenfeindlichkeit" in Verbindung gebracht habe. Diese Ignoranz hätte den EU-Regierungen erst die moralische Legitimation für die Ausgrenzung Österreichs ermöglicht. Meint: Die Boykottmaßnahmen gegen Österreich seien das Ergebnis der Reduzierung des Wahlerfolges der FPÖ auf fremdenfeindliche Kampagnen bei gleichzeitiger Ausblendung legitimer Anliegen der FPÖ.

Die EU habe sich dabei von dem Gedankengang leiten lassen, daß rechtsradikale Parteien innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten in Regierungen keinen Platz haben dürften. Diese Logik sei, so Nagorski, höchst problematisch. Denn es gebe bisher keinen Hinweis darauf, was die EU zu unternehmen gedenke, wenn sie ihr Alles-oder-nichts-Ziel, die gegenwärtige österreichische Regierung zu Fall zu bringen, nicht erreiche. Nagorski sieht in dieser Politik ein typisches Kennzeichen der "Politik der Schuld".

Unter "Politik der Schuld" versteht Nagorski in Politik geronnene moralische Postulate, die sich als direkte Antwort auf die Erfahrungen des Nationalsozialismus beziehen. Mehr und mehr aber geraten diese Postulate in Widerspruch zu komplexen Problemen wie z.B. dem der Massenzuwanderung. Diese Komplexitätsreduzierung führt zu schablonenhaften Urteilen, die aus der Sicht Nagorskis einzig und allein auf die Unterscheidung von "bösen"und "guten Jungs" ("bad" and "good boys") hinausläuft.

Bedauerlicherweise übernimmt Nagorski die wenig differenzierte Kritik an Haider, die sich an einigen wenigen Äußerungen Haiders zur "Beschäftigungspolitik Hitlers" oder an Fragen der Zuwanderung festmacht. Nagorski stellt nicht die Frage, ob nicht auch der Widerstand gegen die Massenzuwanderung insbesondere in die deutschen EU-Staaten ein legitimer politischer Ansatz sein kann. Statt dessen empfiehlt er in völliger Verkennung der Sachlage, daß sich die FPÖ von Haider distanzieren solle. Dies wäre ein Schritt, den Österreich hin zur Normalisierung der Verhältnisse vollziehen könnte. Daß sich dieser Vorschlag letztlich nur partiell von dem Alles-oder-Nichts-Ziel der EU, die FPÖ aus der Regierung zu verdrängen, unterscheidet, will oder kann Nagorski nicht sehen. Auch er ist unter dem Strich ein Parteigänger der "Politik der Schuld". Stefan Gellner

 
     
     
 
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