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Wachsende Konflikte mit Zigeunern: Tabus lösen keine Probleme

 
     
 
In den deutschen Medien werden sie verschämt als "Sinti und Roma" bezeichnet, keinesfalls als "Zigeuner". Dabei haben sie selbst meist nicht gegen diesen Namen einzuwenden. Die hiesigen Sprachregelungen sind vielmehr ei verkrampftes Produkt der typisch deutschen Vergangenheitsbewältigung.

Im östlichen Europa oder auch in Frankreich sind derlei Auswüchse der politica correctness kaum zu beobachten. Die Presse benutzt dort selbstverständlich die ethymologisch den "Zigeunern" entsprechenden uralten Benennungen. Im übrige ist es interessant, daß die Sinti und Roma alle Nicht-Zigeuner seit jeher als "Gajes" oder "Gadesche" titulieren, was soviel wie Bauern ode Barbaren bedeutet.

Der Begriff Zigeuner leitet sich vom byzantinischen Wort "atciganoi" (Unberührbare) oder vom persischen "ciganch" (Musiker, Tänzer) ab "Roma" ist die Eigenbezeichnung der zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert aus de Nordwesten Indiens nach Persien
gezogenen und im 14./15. Jahrhundert in Mittel- un Westeuropa angekommenen Sippenverbände. Wie bei den Eskimos, die sich "Inuit" nennen, heißt dies einfach Menschen. "Sinti" deutet auf die Herkunft aus de heute pakistanischen Provinz Sindh hin und ist auf die seit dem Mittelalter in Deutschlan lebenden Zigeuner bezogen.

Sehr einfallsreich sind hierzulande die Presse-Umschreibungen für Zigeuner, die a Diebstählen etc. beteiligt sind. Dann ist in den Zeitungen die Rede vo "südländischem Aussehen" und "fremdländisch anmutenden Frauen mit eine Kleinkind auf dem Arm" oder auch von Angehörigen der "Volksgruppe de Reisenden" bzw. einer "mobilen ethnischen Minderheit".

Nur sehr selten wird so ungeschminkt über die Probleme mit dieser in ihrer Lebensweis und in ihren Wertvorstellungen von uns grundverschiedenen Volksgruppe gesprochen wie in der "Focus"-Ausgabe vom 26. Juli. Daß die von Detlef Sieverdingbec geschilderte aggressive Bettelei straff organisierter Gruppen von Zigeunerinnen längs nicht nur am Frankfurter Flughafen anzutreffen ist, dürfte nahezu jeder Deutsche au eigener Erfahrung wissen.

Mit dem Hinweis auf die mehreren hunderttausend Sinti und Roma, die durch die NS-Herrschaft umkamen, wird in der Regel jede ernsthafte Auseinandersetzung über die Schwierigkeiten unterbunden, die speziell durch den Zuzug von Zigeunern aus dem östliche Europa nach 1989 entstanden sind.

Zu den 70 000 einheimischen Sinti sowie den 40 000 Roma, die schon im letzte Jahrhundert bzw. im Zuge der Gastarbeiteranwerbung der 60er und 70er Jahre nac Deutschland gelangten, kamen Zehntausende Roma-"Asylanten" bzw "Kriegsflüchtlinge" aus Rumänien, Bulgarien, Bosnien oder dem Kosovo hinzu Unterm Strich sind die vermehrt zu beobachtenden Konflikte mit diesen Zuwanderern jedoc geringfügig im Vergleich zu denen in den Hauptwohngebieten der weltweit schätzungsweis zwölf Millionen Zigeuner.

Diese liegen – von Spanien abgesehen – im Osten und Südosten des Kontinents In Jugoslawien lebten vor dem Zerfall rund eine Million, in Ungarn sollen es heute übe 500 000 und in der Slowakei etwa 450 000 sein, während es sich in Tschechien um weit meh als die offiziell genannten 300 000 Personen handeln dürfte.

Die meisten Zigeuner wohnen allerdings in Rumänien. Bei insgesamt 23 Millione Einwohnern beläuft sich ihre Zahl nach verschiedenen Schätzungen auf 1,5 bis Millionen. Genaue Angaben gibt es nicht, weil viele Roma sich in Volkszählungen als ethnische Rumänen deklarieren.

Wenn man heute durch die von den Banater Schwaben und den Siebenbürger Sachse verlassenen Gebiete reist, so bekommt man vielfach den Eindruck, sich im erste Zigeuner-Staat Europas aufzuhalten. Die eklatanten Kulturunterschiede zwischen Deutsche und Ungarn sowie den Rumänen auf der einen Seite und den Roma auf der anderen werden au eine für Mitteleuropäer ungewohnte Weise augenfällig.

Etliche sächsische Höfe in Siebenbürgen sind in nicht einmal einem Jahrzehnt zu Ruinen verfallen. Zigeunersippen pflegten dort einzuziehen und so lange zu wohnen, wie die Dachstühle der stattlichen Häuser Holz zum Verfeuern hergaben. Dann ging es weiter in den nächsten freien Hof. Zurückgebliebene Sachsen erzählen, daß selbst Stromma-ste gefällt werden, um sie als Feuerholz zu verwenden.

Die europäischen Zigeuner sind trotz ihrer starken Zerstreuung und dem weitgehende Fehlen politischer Vertretungen nur zu kleinen Teilen assimiliert worden. Es nötig Respekt ab, mit welcher Zähigkeit sie über Jahrhunderte hinweg an ihrer Lebenswel festhielten. Diese ist gekennzeichnet durch das mit anderen Spracheinflüssen durchsetzte aus dem Sanskrit entwickelte Romanes, den Drang umherzuziehen sowie nicht zuletzt durc ein kulturelles Überlegenheitsgefühl. Sicherlich hat auch die jahrhundetelang Verfolgung der leicht erkennbaren "Fremden" deren Zusammenhalt gefestigt.

Das Grundproblem, das sich heute zum Beispiel in Rumänien für die Zigeuner selbst un natürlich erst recht für die anderen Ethnien stellt, ist die Veränderung de Bevölkerungsstruktur. Die Roma-Kultur hatte über viele Jahrhunderte hinweg eine ergänzenden Charakter. Sie war in hohem Maße von der jeweils dominanten Zivilisatio abhängig.

Noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein waren saisonbedingte landwirtschaftlich Hilfsarbeiten und traditionelle Handwerksformen wie die Korbflechterei sowie außerde Pferdehandel und Schaustellerei die wichtigsten Erwerbsquellen. Vor der Industrialisierun in der kommunistischen Ära und der damit einhergehenden Beschäftigung ungelernte Zigeuner in den Fabriken waren regelmäßige Einkommen unbekannt. Schulbildung wurde als Zeitverschwendung empfunden. Erst die moderne Mechanisierung und das groß Bevölkerungswachstum haben diese gewachsenen komplementären Sozialstrukture erschüttert.

Mit einer Geburtenrate von 5,1 Kindern pro Frau (doppelt soviel wie de Landesdurchschnitt einschließlich der Roma) haben sich die Zigeuner in Rumänien so star ausgebreitet, daß sich bei den anderen Völkern Überfremdungsängste einstellen.

Etwa 43 Prozent der rumänischen Roma-Bevölkerung sind heute unter 16 Jahre alt. Jed fünfte Frau bekommt ihr erstes Kind vor dem Alter von 16 und über die Hälfte bis zu 18. Lebensjahr. Noch immer leben die meisten Zigeuner in Großfamilien zusammen, wobei die Wohnbedingungen fast immer miserabel sind. Durchschnittlich lebten 1997 in einem Raum 3,8 Roma (bei der Gesamtbevölkerung waren es zu dieser Zeit 1,29 Personen).

27 Prozent der rumänischen Zigeuner waren Mitte der 90er Jahre nach offizielle Angaben Analphabeten, 80 Prozent hatten keinerlei Berufsausbildung. Von den gut 5 Prozent, die sich im arbeitsfähigen Alter befanden, gingen zu dieser Zeit nur 22, Prozent einer Beschäftigung im herkömmlichen Sinne nach.

Über eigenen Landbesitz verfügten die Roma seit jeher kaum, und die wenige Alt-Eigentümer sind in Rumänien aus verschiedenen Gründen bei der Umsetzung de Bodenrückgabe-Gesetzes nur selten zum Zuge gekommen. Die einstigen Arbeitsplätze in de landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften stehen heute ebenso wie jene in de abgewirtschafteten sozialistischen Kombinaten nur noch in geringem Maße zur Verfügung.

Auch in anderen Staaten Ostmitteleuropas ticken im Hinblick auf die dortigen Zigeune ethnisch-soziale Zeitbomben. In Ungarn sind zwischen 75 und 80 Prozent der Roma ohn festes Einkommen und in Tschechien etwa 70 Prozent. Im Schuljahr 1996/97 wiesen die tschechischen Behörden 62,5 Prozent der Roma-Kinder in Schulen für Lernbehinderte ein während diese Quote für alle Bevölkerungsgruppen nur bei 4,2 Prozent der Erstklässle lag.

Wie in Ungarn oder Tschechien ist auch die gestiegene Kriminalitätsrate Rumänien nachweislich auf die stark überproportionale Beteiligung von Zigeunern zurückzuführen.

Politisch standen die Roma Ostmitteleuropas bis zum Zusammenbruch des Sowjetimperium völlig am Rande. Erst mit dem Jahr 1990 begann eine zaghafte Selbstorganisation in Parteien und Interessenvertretungen. Ständige Streitigkeiten zwischen rivalisierende Zigeuner-Organisationen und das erst im Entstehen begriffene Bewußtsein potentielle Macht behindern in Rumänien die Durchsetzung der eigenen Forderungen nach mehr Wohnrau und sozialer Fürsorge. Daß sich diese politische Schwäche als Dauerzustand erweist, is angesichts des weiter wachsenden Bevölkerungsanteils unwahrscheinlich.

Angesichts der demographischen Realitäten und der mit ihnen verbundenen kulturelle Konflikte machen es sich deutsche Journalisten jedenfalls allzu leicht, wenn sie sich nu über "Vorurteile" und "Rassismus" gegenüber Zigeunern empören.

Man sollte ganz unideologisch die Warnsignale erkennen, wenn zum Beispiel in de Maticní-Straße im nordböhmischen Aussig tschechische Anwohner eine Mauer zwischen sic und benachbarten Roma-Quartieren errichten wollen, weil sich dort riesige Müllhaufe aufgetürmt haben und verwilderte Hunde umherstreunen (im übrigen begrüßten die betroffenen Zigeuner ausdrücklich diesen Wunsch und die mit ihm verbundene Verdienstmöglichkeiten). Gleiches gilt erst recht für die Berichterstattung übe blutige Pogrome an Zigeunern, wie sie sich in Rumänien zwischen 1990 und 1994, in Bosnien-Herzegowina in den Kriegsjahren 1992 bis 1995 oder jüngst im Kosovo ereigneten.

Man tut weder den Roma selbst noch den beteiligten Ethnien einen Gefallen, wenn real Ängste und wirtschaftlich-politische Verteilungskämpfe grundsätzlich als Folg "rechtsextremistischer" Gesinnung verfälscht werden. Zigeuner sind wede schlechter noch besser als andere Völker in Europa. Aber sie sind von ihnen seh verschieden und sie wollen es auch sein. Letzteres ist ihr gutes Recht, so wie es da Recht anderer Ethnien ist, ihren Platz und ihre Kultur nach Kräften zu behaupten
 
     
     
 
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