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Warum keine Mahnmale für Deutsche?

 
     
 
Für Mahnmale im allgemeinen spricht, daß sie viele Architekten schon durch die Ausschreibung in Lohn und Brot setzen: Selbst die abgelehnten Entwürfe werden angemessen, also fürstlich honoriert, die preisgekrönten sogar außergewöhnlich gut bezahlt, und das nach vielen Änderungen schließlich ausgewählte Architekturbüro, das den Zuschlag
erhält, hat erst einmal ausgesorgt. Gegen Mahnmale spricht, daß die Täter sie nicht besuchen, sie den Opfern nichts nützen und nur den Initiatoren einen zeitweiligen Bekanntheitsgrad verschaffen.

Da die Initiatoren des Holocaustdenkmals, an der Spitze Lea Rosh, alle nichtjüdischen Opfer des Nationalsozialismus von ihrem Mahnmal ausschlossen, forderten die andern Opfer eigene Mahnmale. Wenn möglich ebenfalls riesengroß und in der Nähe des Reichstags. Neben dem Mahnmal für Sinti und Roma (6.000 Quadratmeter im Tiergarten) hätten auch Opfergruppen wie die Homosexuellen oder die Wehrmachtsdeserteure Anspruch auf eine eigene Gedenkstätte, sagte der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Volker Beck. En Stiftungskonzept soll schon vorliegen. Sogar für den anarchistischen Reichstags-Brandstifter van der Lubbe soll ein Denkmal gebaut werden - am Reichstag! Weitere Mahnmale sind denkbar. Der Phantasie und der großflächigen Bebauung sind keine Grenzen gesetzt. Warum kein Mahnmal für die Zeugen Jehovas, die sogenannten Asozialen, die Sicherheitsverwahrten und - warum nicht - für die ebenfalls zu Unrecht ins KZ gebrachten Mörder und sogenannten Berufsverbrecher (BV)? Dieses Prädikat und damit die Einweisung in ein KZ konnte einen Kriminellen im Dritten Reich schon bei drei wiederholten Straftaten treffen. Die Männer mit dem grünen Winkel dienten der SS oft als Kapos, waren aber ebenfalls Opfer, vom Tode bedroht.

Das Holocaustdenkmal wird noch in diesem Jahr fertig werden; am 10. Mai soll es der Öffentlichkeit übergeben werden, trotz des Streits um Degussa, deren Firmengruppe einst das Cyclon B lieferte und heute die Farbe zum Schutz der Stelen gegen Graffiti. Chemie bleibt Chemie. Unbehagen macht sich noch einmal breit. Das Mahnmal, "Kranzabwurfstelle" nach Walser, Schandmal und "Brandmal, das dem deutschen Volk aufgedrückt werden soll" nach Rudolf Augstein, ist in Kürze fertiggestellt, gegen den demoskopisch ermittelten Willen der Bevölkerung und eine breite Minderheit des Bundestags - gigantisch und singulär wie das Verbrechen, so singulär und gigantomanisch ist das Denkmal geworden.

Die Riesenzahl, vier, fünf oder sechs Millionen unschuldiger Opfer, mache die Riesendimension, drei Fußballfelder groß, zwingend, argumentieren die Initiatoren um Lea Rosh - und den Standort vor dem Reichstag.

Wo aber wird das Mahnmal für die 2,2 Millionen bei der Vertreibung ermordeten Ostdeutschland, Danziger, Pommern, Schlesier und Sudetendeutschen stehen? Frauen, Kinder und Greise, unschuldig auch sie. Wo die Gedenktafel für die zwei Millionen von den Russen vergewaltigten Frauen? Geht es nach dem Verursacherprinzip, müßte die russische Regierung als Nachfolger des Sowjetstaats ihnen ein Mahnmal errichten. Vielleicht in Moskau auf dem Roten Platz? Platz wäre da genug.

Werden Deutsche einmal im Bundestag die Errichtung eines Mahnmals für die ermordeten Vertriebenen beantragen? Die Gruppe um Lea Rosh wird es nicht tun. In einer Fernsehdiskussion des Bayerischen Rundfunks stellte ich Frau Rosh die Frage: "Würden Sie auch ein Mahnmal für die mehr als zwei Millionen toten Vertriebenen unterstützen?" Die Antwort war kurz und kam wie aus der Pistole geschossen: "Nein."

Glücklicherweise gibt es auch andere Stellungnahmen. Unter dem Eindruck der massenhaften ethnischen Vertreibung der Kosovo-Albaner war auch bei den Sozialdemokraten das Verständnis für das millionenfache Unrecht gewachsen, das die deutschen Vertriebenen erlitten haben. So erklärte Innenminister Otto Schily sich schon vor Jahren bereit, den Plan zu unterstützen, in Berlin ein "Zentrum gegen Vertreibungen" zu errichten, für das die CDU-Abgeordnete Erika Steinbach kämpft. Nehmen wir ihn jetzt beim Wort. Ein "Zentrum gegen Vertreibungen", das zugleich eine Gedenkstätte wäre für über zwei Millionen ermordete deutsche Flüchtlinge. Wenigstens das. Nicht noch eine gigantomanische Bebauung auf dem Reichstagsgelände. Keine Aufrechnung von Toten gegen andere Tote, unschuldig Ermordeter gegen andere unschuldig Ermordete. Gegen das Vergessen. Eine würdige Stätte der Erinnerung, des Gedenkens - und der Forschung - als die bessere Alternative zu den zementenen und stählernen Monstern, Mahnmalen und Brandmalen.

 

Ein Vertriebener aus Danzig, war bis Mitte der 60er Jahre Herausgeber der linken Zeitschrift konkret. Noch vor der Radikalisierung und Ideologisierung der 68er sagte er sich von sozialistischem und kommunistischem Gedankengut los und wurde zum erbitterten Kritiker des Linksextremismus und des daraus erwachsenen Terrorismus.

Klaus R. Röhl: "Deutsche Tabus - Ungefragte Antworten", Universitas, München 2004, geb., 240 Seiten, 16,90 Euro.
 
     
     
 
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