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Wasser - ein endliches Gut

 
     
 
Das Wasservorkommen der Erde beträgt 1384,12 Millionen Kubikkilometer. Davon sind ab er nur 2,61 Prozent Süßwasser, und zwar 2,01 Prozent in den Eiskappen der Pole und in Gletschern, 0,58 Prozent im Grundwasser, 0,02 Prozent in Seen und Flüssen und 0,001 Prozent in der Atmosphäre. Mit anderen Zahlen: Das verfügbare Süßwasservorkommen der Erde (Grundwasser, Flüsse, Seen, Wasser in der Atmosphäre) beträgt 8,3 Millionen Kubikkilometer, das nicht vermehrbar ist, anders als die Weltbevölkerung
und der auch aus zivilisatorischen und wirtschaftlichen Gründen wachsende Wasserbedarf.

Allein die Landwirtschaft beansprucht 70 Prozent des verfügbaren Wassers, und ihr Bedarf steigt rasch. Seit 1960 nahm er um 60 Prozent zu. Folgerichtig hat sich der globale Wasserverbrauch zwischen 1900 und 1995 mehr als versechsfacht und wuchs somit mehr als doppelt so schnell wie die Weltbevölkerung.

Unter diesen Umständen ist die Befürchtung realistisch, daß künftig Kriege um das Wasser stattfinden werden. Die Uno ist bereits aktiv geworden. Im Mai 1997 ist in New York die erste internationale Konvention zu Wassernutzung von 103 Staaten verabschiedet worden.

Die Wasservorkommen im Nahen Osten sind ungleich auf die einzelnen Länder verteilt. Ägypten verfügt insgesamt, hauptsächlich durch den Nil, über 65,5 Millionen Kubikkilometer Wasser jährlich, verbraucht aber bereits 65 Millionen Kubikkilometer. Mit 59,3 Millionen Einwohnern (1996) und einem jährlichen Bevölkerungswachstum von zwei Prozent ist bereits absehbar, daß in weniger als einem Jahrzehnt die Bevölkerung ihren Wasserverbrauch einschränken muß. Dies impliziert aber einen Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion, was sich Ägypten wegen seiner schlechten Ernährungslage nicht leisten kann. Ähnlich ist die Lage auch in Jordanien; von den verfügbaren 0,89 Millionen Kubikkilometer Wasser jährlich werden bereits 0,75 Millionen Kubikkilometer verbraucht. Saudi Arabien, Kuwait und die Golfemirate müssen bereits Meerwasser entsalzen.

Die Wasserknappheit im Nahen Osten sollte im Rahmen des Rückganges der Nahrungsmittelproduktion pro Kopf der Bevölkerung gesehen werden, der von Zentralafrika bis hin zur Türkei als Folge der starken Natalität eintritt. So kann die Schärfe des Problems erkannt werden und sich die Einsicht durchsetzen, daß, wenn in dieser Zone dem Wassermangel nicht durch Einschränkung des Verbrauchs und einvernehmliche Vereinbarungen der betroffenen Länder begegnet wird, Kriege von bisher ungeahnter Härte ausgelöst werden.

Euphrat und Tigris, die zwei größten Flüsse des Nahen Ostens, nehmen ihren Lauf im Nordosten der Türkei. Ihr jährliches Wasseraufkommen beträgt 31,61 Millionen Kubikkilometer bzw. 21,33 Millionen Kubikkilometer. Bevor sie die Türkei verlassen, haben sie sich zu zwei mächtigen Flußsystemen geformt, die ihren segensreichen Lauf bis zum Persischen Golf nehmen und Mesopotamien bilden.

Die Idee, den Wassereichtum der Flüsse der Türkei für die Landwirtschaft und die Energiegewinnung auszunutzen, stammt vom jetzigen Staatspräsidenten der Türkei, Süleyman Demirel, Wasserbauingenieur. Unter seiner Initiative entstand 1965–1971 das "Südanatolische Projekt" (GAP), das mehrere Staudämme vorsah, die auch gebaut wurden, jedoch ohne die durchlaufende Wassermenge der Flüsse wesentlich zu vermindern. Für Syrien und Irak stellte daher das GAP bis dahin kein Problem dar.

Die Situation änderte sich, nachdem das GAP durch Turgut Özal 1985 überdimensioniert wurde. Danach sieht es 22 Staudämme mit 19 hydroelektrischen Einheiten vor. Die Kraftwerke des GAP sollen 2005, wenn das Projekt vollständig abgeschlossen sein wird, 27 000 Megawatt Strom jährlich produzieren. 1,7 Millionen Hektar Land bewässern und das Bruttosizialprodukt der Türkei um zwölf Prozent heben. Der größte Staudamm des Gesamtprojekts ist der Atatürk-Damm, 60 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt, der 48,7 Millionen Kubikmeter Wasser faßt, anderthalbmal mehr als das gesamte jährliche Wasservorkommen des Euphrat. Er ist der neuntgrößte Staudamm der Erde.

Schon durch die Veröffentlichung des GAP wurde ersichtlich, daß es neben der Energiegewinnung und der Bewässerung ganzer Ebenen auch tiefgreifende sozial- und machtpolitische Ziele hat. Vor allem aber läuft das GAP auf die vollständige Bändigung beider Flußsysteme, Euphrat und Tigris, hinaus. Das beunruhigt Syrien und Irak, denn allein der mehrmalige Durchlauf der Gewässer von Euphrat und Tigris durch hydroelektrische Turbinen setzt ihre Qualität als Trinkwasser herab. Noch viel wichtiger ist aber, daß der Euphrat seinen weiteren Lauf nach Süden durch einen Tunnel des Atatürk-Dammes nimmt, der mittels Schieber geschlossen werden kann; d.h. die Türkei kann seinen Fluß unterbrechen. Aus diesen Gründen lehnte die Weltbank die Finanzierung des GAP ab.

Das hat die Türkei nicht daran gehindert, das GAP aus eigener Kraft durchzuführen. Bei der Einweihung des Atatürk-Dammes am 15. Juli 1992 sagte Özal: "Dieser Damm wurde von unseren eigenen türkischen Arbeitern, Konstrukteuren, Technikern und Finanziers gebaut. Deshalb ist er ein Symbol dafür, daß wir in den Zeiten der Vergangenheit unser Gefühl begraben haben, mit dem Westen nicht konkurrieren zu können." Der Damm beunruhigt Damaskus und Bagdad, obwohl Ankara wiederholt versichert hat, es werde das Wasser niemals als Waffe gegen seine Nachbarn einsetzen. Einvernehmlich hatten daher die drei Nachbarn 1987 ein Protokoll in Ankara unterzeichnet, das den weiteren Fluß des Euphrat wie folgt regelte: Durch den besagten Tunnel werde genau die Hälfte der Gewässer des Euphrat (50 000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde) weiter laufen, d. h. 15,8 Millionen Kubikkilometer jährlich. Davon sollte wiederum 42 Prozent Syrien nutzen und der Rest weiter nach Irak fließen. Diese Vereinbarung wurde jedoch seitens Ankaras nicht eingehalten. 1990 hat es den Euphrat für einen ganzen Monat gänzlich unterbrochen, damit der Stausee gebildet wird. Auch danach ließ die Türkei eine geringere Menge durch als die 1987 vereinbarte. Seitdem werden laufend Verhandlungen der drei Länder geführt, auch auf höchster Ebene, jedoch ohne Ergebnis. Bezeichnend dafür ist, daß Ankara das GAP nochmals erweitert und im August 1998 den Bau von sechs weiteren Staudämmen an Euphrat und Tigris angekündigt hat. Bagdad will deshalb den Internationalen Gerichtshof in Den Haag anrufen. Unter dem Regiment des UN-Embargos hat aber der Irak international keine Stimme. Syrien und Irak verlangen die Zuteilung der Gewässer der zwei Flüsse gemäß den internationalen Praktiken. Die Türkei neigt dagegen zu der These Özals, laut der die Gewässer den Türken gehören, ebenso wie ihr das Öl gehört, das sich in ihrem Boden befindet. Der Euphrat entspringt wohl in der Türkei, wo er 2100 Kilometer zurücklegt. Sein syrischer und irakischer Teil ist 600 Kilometer bzw. 1200 Kilometer lang. Das Beharren Ankaras auf einem solchen Standpunkt führt aber früher oder später zum Krieg. Diese Perspektive ist um so realistischer, je mehr die Türkei der Versuchung unterliegt, das Wasser der beiden Flüsse als Waffe gegen seine Nachbarn einzusetzen. Im Zusammenhang mit dem Kurdenproblem hat Ankara bereits wiederholt Syrien mit der Absperrung des Euphrat gedroht.

Leidtragend sind bereits die christlichen Aramäer, Chaldäer und Armeniker, die im Ersten Weltkrieg, um den Massakern in der Türkei zu entgehen, nach Syrien flohen - damals französisches Mandatsgebiet. Gleich hinter der türkischen Grenze ließen sie sich in der nordsyrischen Steppe nieder, in der sie dann mit Hilfe des Wassers von Euphrat und Tigris eine blühende Landwirtschaft aufgebaut haben. Nach dem Bau des Atatürk-Dammes geben sie nach und nach ihre Höfe auf und flüchten nach Westeuropa.

Vor dem 6-Tage-Krieg 1967 hatte Nasser die Umleitung des Jordans oberhalb des Sees Tiberias (Genezareth) geplant. Am 5. Juni 1967 kamen ihm die Israelis zuvor. Sie besetzten die Golan-Höhen und brachten damit nicht nur den Oberlauf des Jordans unter ihre Kontrolle, sondern auch den Unterlauf des Jarmuk, der von Syrien kommend, südlich Tiberias in den Jordan mündet. Ein Teil des Jordanwassers wird bereits über Pipelines direkt nach Tel Aviv geführt. Durch die Besetzung Südlibanons im Juni 1982 hat Israel außerdem den Unterlauf des Litani unter seine Kontrolle gebracht. Der Litani entspringt im Zentrallibanon und mündet bei Tyros ins Mittelmeer. Die Libanesen sind daher überzeugt, daß die Besetzung des Südlibanon eben aus diesem Grund erfolgte. Um so mehr gehen sie davon aus, daß die Israelis den von ihnen besetzten Teil ihres Landes nicht wieder hergeben wollen.

Israel deckt etwa ein Drittel seines Wasserbedarfs aus dem Jordan. Weitere 640 Millionen Kubikmeter kommen aus einem unterirdischen See unter der Westbank. Israel geht verschwenderisch mit seinem Wasserhaushalt um, der 2,3 Milliarden Kubikmeter jährlich beträgt. Die Palästinenser werden dagegen bei der Wasserzuteilung benachteiligt. Unter anderem können die Israelis beim Ausheben von Brunnen bis zu 600 Meter tief bohren, palästinensische Brunnen dagegen dürfen nur eine Tiefe bis zu 300 Meter erreichen. Es wird geschätzt, daß Israel auf rund 300 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich verzichten muß, wenn das vorhandene Wasser gerechter zwischen Israelis und Palästinensern verteilt werden würde. Ohnehin kann die jetzige Art der Ausbeutung des Grundwassers in Israel nicht aufrecht erhalten werden. Durch den Raubbau am Grundwasser sinkt sein Spiegel; dadurch dringt Salzwasser aus dem Mittelmeer in den Untergrund des Landesinneren Israels ein und versalzt das Grundwasser. Um so mehr gilt es, daß das Wasserproblem im Nahen Osten nur durch eine umfassende Vereinbarung zwischen seinen Ländern einschließlich der Türkei, gelöst werden kann. Libanon, Syrien, der Irak und Jordanien, das am meisten durch die Beherrschung der Gewässer des Jordans durch die Israelis leidet, sind dazu bereit. Auch die Türkei und Israel bekennen sich verbal zu einer solchen Lösung. Bisher waren sie allerdings noch nicht bereit, umfassende Verhandlung darüber zu führen.

 
     
     
 
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