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Wenn umwelt die Sinne trübt

 
     
 
Am Anfang hatte die Sache ausgesehen wie ein Sommerthema aus Schilda. Inzwischen schlägt sie Wellen, die weit über den lokalen Anlaßfall hinausreichen. Denn wieder zeigen sich Risse in der ohnedies nur mühsam geflickten Regierungskoalition, ja sogar innerhalb der ÖVP selbst. Und wieder erweist sich, wie leicht Sinnesverwirrung und Heuchelei Platz greifen, sobald die "Umwelt" ins Spiel gebracht wird.

Es geht um einen Ende Juni erfolgten Beschluß des niederösterreichischen Landtags
, die Sendemasten von Mobilfunk-Gesellschaften, die "Handy-Masten", mit einer Abgabe zu belegen. Sie soll ab 1. Januar 2006 gelten, pro Mast zwischen 9.000 und 21.000 Euro betragen und dem Bundesland 45 Millionen pro Jahr einbringen. Vorgeblicher Zweck der Maßnahme ist der "Landschaftsschutz": Man wolle den "Wildwuchs an Masten" eindämmen und die Betreiber dazu bringen, Masten "gemeinsam" zu nützen. Deshalb sei die Steuer auf vier Jahre befristet - "dann werde man weitersehen". Und die Steuer solle ganz aufgehoben werden, wenn sich die Zahl der Masten um zwei Drittel verringert habe.

Nun mag man über die zur Volksseuche gewordene Mobil-Telephonitis so oder so denken. Als Österreicher ist man allerdings mit der noch aus Kaisers Zeiten stammenden Lebensweisheit vertraut, daß nichts so dauerhaft ist wie ein Provisorium. Und man erinnert sich auch, daß die Idee zur Mastensteuer bereits im Frühjahr aufkam - im Zusammenhang mit der Spitalsfinanzierung. Daß es ums Abzocken geht, beweist aber nicht nur das "Interesse" anderer Bundesländer. Es liegt vielmehr am Prinzip selbst: Denn wenn Lenkungsabgaben "greifen", zehren sie ihre eigene Basis auf - wenn Masten verschwinden, entsteht ein neues Budgetloch. Aber sie greifen ohnehin kaum oder gar nicht, wie sich etwa an der exzessiven Besteuerung von Treibstoffen zeigt. (Die ist in Österreich zwar niedriger als in Deutschland, hat aber einen Zustrom deutscher "Tank-Flüchtlinge" zur Folge, und das wieder bewirkt, daß die Spritpreise in Westösterreich deutlich höher liegen als in Ostösterreich.) "Umwelt"-Abgaben jeglicher Art dienen per Saldo immer nur der Geldbeschaffung, bringen noch mehr bürokratischen Aufwand und schädigen die eigene Wirtschaft zum Vorteil der ausländischen Konkurrenz.

Die Mobilfunkbetreiber beabsichtigen, die Steuer auf die Konsumenten überzuwälzen, was Gespräche von und nach Niederösterreich um bis zu 15 Prozent verteuern dürfte. Aber auch der angebliche Zweck der Abgabe verursacht Kosten, denn "eingesparte" Masten müssen demontiert und "gemeinsame" erhöht werden - die stören dann nicht die Landschaft? Im Nachteil sind die kleineren Betreiber, und das heizt den Konzentrationsprozeß weiter an. Die von Brüssel erzwungene Aufhebung des Post-Monopols hatte zwar eine drastische Senkung der Tarife gebracht. Wenn aber nur ganz wenige Anbieter übrigbleiben, wird ein solches "Oligopol" die Tarife wieder kräftig anheben - und Politiker liefern dazu den Vorwand! (Zur Illustration: Die Deutsche Telekom, die in Österreich schon mit der "T-Mo-bile Austria" vertreten ist, kaufte vorige Woche den Konkurrenten "Tele.ring" für 1,3 Milliarden Euro dem bisher amerikanischen Betreiber ab.)

Wenig erstaunlich, daß Wirtschaft und Konsumentenvertreter Druck auf die österreichische Bundesregierung ausübten, die niederösterreichische Abgabe zu untersagen. Der zuständige Infrastrukturminister und Vizekanzler Gorbach (früher FPÖ, jetzt BZÖ), Finanzminister Grasser (früher FPÖ, jetzt ÖVP) sowie andere ÖVP-Regierungsmitglieder sprachen sich gegen die Abgabe aus - aber auf die Tagesordnung des Ministerrates kam die Sache nicht. Der Fortbestand der "ÖVP-Alleinregierung mit BZÖ-Beteiligung" (vorher mit FPÖ) ist für Kanzler Schüssel wichtiger, und mit dem "Landesfürsten" von Niederösterreich, mit Landeshauptmann Pröll, kann er es sich erst recht nicht verscherzen, denn der spielt in der ÖVP eine ähnlich dominierende Rolle wie in der SPÖ der Wiener Bürgermeister Häupl.

Aber "zum Glück" gibt es noch Europa: Gorbach nahm bereits Kontakt auf mit den Wettbewerbshütern - immerhin sind die vom Land Niederösterreich für den Eigenbedarf betriebenen Sendeanlagen von der Abgabe ausgenommen. Und letztlich könnte sogar der Europäische Gerichtshof beschäftigt werden ... Prof. Dr. Küssner
 
     
     
 
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