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Wie offen ist heute der Dialog?

 
     
 
Polen und Vertriebene – Wie offen ist heute der Dialog?" war das Thema eine Podiumsdiskussion, die die neue Stiftung "Zentrum gegen Vertreibungen" am 19 Oktober im Frankfurter Presseclub veranstaltete.

Unter der Leitung von BdV-Präsidentin Erika Steinbach
MdB diskutierten in de Mainmetropole der Polenkorrespondent der "Süddeutschen Zeitung", Thomas Urban und der polnsiche Publizist und frühere Chefredakteur von "Zycie Warszawy" Kazimierz Woycicki, der auch Leiter des polnischen Kulturinstituts in Düsseldorf war.

Trotz der vielen Parallelveranstaltungen wegen der Frankfurter Buchmesse, in der Pole dieses Jahr im Mittelpunkt der Betrachtung stand, war der Presseclub nahezu überfüllt Das Thema löste bei den Anwesenden nicht nur großes Interesse, sondern auch teilweis starke Emotionen aus.

Auf die einleitende Frage von BdV-Präsidentin Steinbach, ob sich inzwischen de Blickwinkel im deutsch-polnischen Verhältnis positiv verändert habe oder ob es noc Tabuzonen gebe, die aufgebrochen werden müßten, antwortete Kazimierz Woycicki, daß sei vier Jahren viele Dinge vorangekommen seien.

Seit 1990 sei in Polen klar gewesen, daß das Tabu der Vertreibung gebrochen werde müsse. Er wies auf Jan Josef Lipski hin, der Vorreiter der Öffnung zu Deutschlan gewesen sei. Die Opposition in Polen hätte dies vorbereitet. Vertreibung würde in Pole unter zwei Gesichtspunkten gesehen. Es sei

1. ein deutsch-polnisches Thema (Außenverhältnis)

2. ein innerpolnisches Thema (Identitätsfindung).

Denjenigen Polen, die nach ihrer eigenen Vertreibung aus den Ostgebieten Polens in de deutschen Provinzen angesiedelt wurden, diente die Auseinandersetzung mit der Vertreibun der Deutschen, deren Eigentum sie jetzt in Besitz genommen hatten, zur Identitätsfindung.

In dem Zusammenhang seien Begründungen wie die von den Kommunisten verkündet sogenannte "Wiedergewinnung der polnischen Westgebiete" von der polnische Bevölkerung in Wirklichkeit nicht ernst genommen worden. Woycicki beklagte, daß man in Deutschland häufig keinen Unterschied zwischen den seinerzeitigen Maßnahmen de Kommunisten und den Entscheidungen des heutigen Polen mache. Anfang der 90er Jahre sei die Öffnung zu Deutschland ein selbstverständlicher Prozeß in Polen gewesen. Erste Ergebnis seien unter anderem polnische Dokumentationen über die Vertreibung. Woycick betonte, daß in Polen mehr Leute über die Vertreibung forschten, als in Deutschland.

Der Polenkorrespondent der "Süddeutschen Zeitung", Thomas Urban, bemerkte daß Polen positiv zur Vertreibungsdiskussion stehe. Negative Stimmen dazu seie hauptsächlich von Nationalkonservativen und Teilen der katholischen Kirche gekommen. I der Politik sei allerdings die Vertreibungsdiskussion noch nicht mehrheitsfähig.

Polen habe gegen Ende der kommunistischen Herrschaft einen Nachholbedarf gehabt, die Vertreibung der Polen im Osten und das Verhältnis zur Sowjetunion aufzuarbeiten. Die intensivere Beschäftigung mit der Vertreibung und dem Leid der Deutschen beginne ers jetzt.

Urban forderte, daß die Geschichte der Vertreibung der Deutschen sich auch in de polnsichen Schulbüchern niederschlagen müsse. Im übrigen sei der Dialog, das Gespräc miteinander, die notwendige Voraussetzung für Veränderungen.

Die Emotionen unter den Zuhörern steigerten sich, als Woycicki die Eigentumsfrage in deutsch-polnischen Verhältnis anschnitt. Polen sei sehr empfindlich, wenn diese berühr würde. Für Polen gebe es keine Eigentumsfrage. Ein Drittel des heutigen polnische Gebietes sei deutsches Gebiet gewesen. Wenn die Eigentumsverhältnisse plötzlich unkla wären, könnte sein Land nicht mehr regiert werden.

Ein weiterer Aspekt sei die Tatsache, daß alle diejenigen, die sich in Polen u Verständnis mit Deutschland bemühten, dann plötzlich zwischen zwei Stühlen säßen un Schwierigkeiten im eigenen Land bekämen. Seiner Meinung nach sei es natürlich für die Betroffenen in Deutschland sehr schwierig, den Verlust des Landes und des Eigentums zu akzeptieren. Dies sei nur menschlich verständlich.

Dagegen betonte Thomas Urban, daß in der Vermögensfrage bei den Betroffenen das tief Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein, festsitze. Dee Vertriebenen seien die Verlierer des Krieges.

Auf die Frage, wie sich die Vermögensfrage, über die es ja zwischen der deutschen un der polnischen Regierung einen Dissens gebe, weiter entwickeln könnte, antwortete Urban daß die polnische Gesellschaft zur Zeit noch nicht einmal für eine Diskussion über ein symbolische Entschädigung der Deutschen bereit sei.

Die Ansprüche auf Rückerstattung deutschen Vermögens müsse ein europäische Gerichtshof entscheiden. Weder die deutsche noch die polnische Regierung könnten diese Problem lösen.

In diesem Zusammenhang sei auch einmal die Frage zu stellen, warum rund zehn Millione Menschen aus den Oder-Neiße-Gebieten vertrieben werden mußten, wenn nur zwei Millione Polen dort angesiedelt wurden und ganze Gebiete leerstanden.

BdV-Präsidentin Erika Steinbach MdB wies darauf hin, daß es wohl in beide Gesellschaften, der deutschen und der polnischen, noch erhebliche Wissenslücken über die Vertreibung gebe. In Deutschland sei dieses Thema erst durch die Fernsehberichte über die Vertreibungen auf dem Balkan so richtig den Menschen ins Bewußtsein gerückt worden.

Der Bund der Vertriebenen habe die Einrichtung eines "Zentrums gege Vertreibungen" beschlossen, um aufzuklären, zu sensibilisieren und zur Verhinderun von Vertreibung schon im Vorfeld durch Information beizutragen.

Für ein solches Zentrum sehe er im Moment keine Unterstützung, meinte Woycicki. Da Zentrum habe vorerst keine Chance, in Polen akzeptiert zu werden, nicht zuletzt, weil ma vermute, es werde hauptsächlich das Schicksal der deutschen Vertriebenen dargestellt.

Thomas Urban riet dazu, die Idee des Zentrums mit Geduld umzusetzen. Wenn Polen an de Konzeption beteiligt werden solle, müsse dies mit Behutsamkeit geschehen.

BdV-Präsidentin Steinbach rief dazu auf, das Gemeinsame zwischen Deutschen und Pole zu betonen, anstatt das Trennende. Woycicki seinerseits versprach, sich für die Erforschung der Vertreibung einzusetzen. Aus dem Publikum kam die Bitte, sich bei de Darstellung der Vorgänge an die Wahrheit zu halten. Es bestünde eine Notwendigkeit zu Diskussion in Deutschland auch über die Idee des "Zentrums gege Vertreibungen." Hierzulande würde in dem Zusammenhang mehr tabuisiert als in de Nachbarländern. Walter Stratmann (DOD
 
     
     
 
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