|  | Zu     kommunistischen Zeiten hatte man insbesondere die Energieströme mit einem erheblichen     technischen und finanziellen Aufwand über gewaltige Entfernungen gelenkt, was von den     Nachfolgestaaten der UdSSR so nicht mehr geleistet werden konnte. Bald wurde klar, daß es     nur eines kleinen Anstoßes bedurfte, um gerade auf dem Energiesektor vor Probleme     gestellt zu werden, wie es Ende 1998 beispielsweise der Republik Moldawien widerfuhr, als     die Ukraine plötzlich ihre Stromlieferungen erheblich einschränkte. Glücklicherweise     konnte der Nachbar Rumänien einspringen,  und er tat es vermutlich gern, um die     Politiker in Chisinau (Kischinew) daran zu erinnern, daß sie doch eigentlich Rumänen     sind.
 Die baltischen Länder standen nach der Wiedererlangung ihrer Unabhängigkeit in Sachen     Stromversorgung vergleichsweise günstig da. Estland ist autark, da der Ölschiefer noch     auf geraume Zeit eine verhältnismäßig preiswerte Primärquelle darstellt. Lettland     nutzt an eigenen Kapazitäten vor allem die Wasserkraft und ist deshalb in hohem Maße von     den Wasserständen der Düna abhängig.
 
 Daneben müssen die Letten in erheblichem Umfang Strom aus Estland, Litauen und der     Russischen Föderation
   zukaufen. Heute stehen in dem zu Sowjetzeiten stark     industrialisierten kleinen Land, das einst die gesamte UdSSR mit Glühlampen belieferte,     für die Energieversorgung Gas und Heizöl im Vordergrund. Das deutsche Großunternehmen     Preussen Elektra ist ebenso wie die Ruhrgas AG an den staatlichen     Stromversorgungsbetrieben finanziell beteiligt. Darüber hinaus konnten mit     bundesdeutscher Hilfe 1995 im äußersten Norden des Landes in Hainasch (lett. Ainazi) an     der Ostsee zwei erste Windkraftanlagen mit einer Leistung von jeweils 600 Kilowatt in     Betrieb genommen werden, und die Preussen Elektra wirkt maßgeblich an der Modernisierung     und dem Ausbau des Stromnetzes der Hauptstadt Riga mit. 
 In Litauen wiederum gibt es als Erblast das marode Kernkraftwerk Ignalina vom Typ     Tschernobyl. Dieses leistet mit 2500 Kilowatt viel zu viel für die kleine Republik. Die     mittelfristig erforderliche Stillegung des Kraftwerkes und die Schaffung von     Ersatzkapazitäten können jedoch nur mit internationaler Hilfe realisiert werden. Auch     hier kooperieren Preussen Elektra und das staatliche Versorgungsunternehmen.
 
 Besonders problematisch ist die energiepolitische Situation des Königsberger Gebietes,     das seinen Strom wegen der fehlenden eigenen Primärquellen zu 95 Prozent aus Litauen und     dem russischen Kernland beziehen muß (dort vor allem von dem Atomkraftwerk Sosnowyj Bor     bei St. Petersburg). Der lokale Versorger, der ein mit schwerem Heizöl nicht gerade     umweltfreundlich betriebenes Heizkraftwerk unterhält, und Preussen Elektra arbeiten schon     seit 1992 zusammen. Die Umstellung auf eine ökologisch vertretbare, sichere und     wirksamere Energieversorgung ist bislang jedoch an finanziellen Unzulänglichkeiten     gescheitert.
 
 So wird seit nunmehr sechs Jahren unweit der Stadt Königsberg an dem modernen     Wärmekraftwerk TEZ-2 gebaut, das nicht nur den Eigenbedarf der Exklave decken soll,     sondern auch beträchtliche Exportgewinne verspricht. Da das Werk aber ausschließlich mit     Erdgas betrieben werden soll, müßte zuerst eine weitere Pipeline gebaut werden, um die     erforderlichen Gas-Mengen ins nördliche Ostdeutschland zu schaffen. Doch der russische     Energiemonopolist "Gasprom" hat sich hierzu bislang noch nicht bereitgefunden.     Man geht deshalb davon aus, daß mit einer Fertigstellung von TEZ-2 frühestens im Jahre     2003 zu rechnen ist.
 
 Demgegenüber ist die Region St. Petersburg energiewirtschaftlich weitgehend     unabhängig. Auch hier ist Preussen Elektra an dem örtlichen Stromversorgungsbetrieb     beteiligt. Eine gewisse Zusammenarbeit gibt es auch mit Estland und Finnland.
 
 Schon in den frühen 90er Jahren tauchte sowohl bei den skandinavischen     Energieversorgern als auch in der Bundesrepublik Deutschland bei der Preussen Elektra als     Norddeutschlands führendem Stromlieferanten der Gedanke eines     "Ostseestromverbundes" auf. Die schwedischen Strom-Giganten Sydkraft und     Vattenfall waren daran interessiert, überschüssige Wasserkraft-Energie nicht nur nach     Deutschland und Dänemark zu verkaufen, sondern für den Fall eines außerordentlichen     Bedarfs auch von Süden her Strom zukaufen zu können.
 
 Da die Schweden bei der Stromversorgung bereits länger mit Finnland     zusammenarbeiteten, lag es nahe, diesen Verbund auf die baltischen Staaten und die Region     St. Petersburg sowie das nördliche Ostdeutschland auszuweiten. Als letztes schloß sich dann     Polen diesem Verbund an, obwohl es selbst nur einen verhältnismäßig geringen     Ausgleichsbedarf hat.
 
 Das alles hört sich sehr einfach an, ist aber schon rein technisch mit zahllosen     Schwierigkeiten behaftet. Frequenzschwankungen in dem einen Netz dürfen nicht auf das     andere durchschlagen. Da die Entfernungen über See nicht mit Freileitungen überbrückt     werden konnten, mußte über das "Baltic Cable" Gleichstrom befördert werden.     Mit solchen Kabeln hatte man in Nordeuropa schon seit rund vierzig Jahren gute     Erfahrungen. Es gibt sie nach Gotland, zwischen Schweden und Dänemark und zwischen     Norwegen und Dänemark sowie nach Finnland.
 
 In Deutschland gerieten das "Baltic Cable" und das "Kontek Cable"     allerdings in das Visier der Umweltschützer. Diese sagten schreckliche Folgen für das     empfindliche Öko-System Ostsee voraus, die bislang jedoch ausgeblieben sind. Obwohl     theoretisch Magnetkompasse beeinflußt werden können, ist auch noch kein Schiff in die     Irre gefahren.
 
 Eine hauptsächlich von der EU finanzierte Studie hat inzwischen die technischen     Voraussetzungen untersucht, die erforderlich sind, um die Regionen der östlichen Ostsee     an den sogenannten "Baltischen Energetischen Ring" anzuschließen (dieser wurde     im Mai 1998 durch die Organisation "Balt-Rel" ersetzt). Festgestellt wurde, daß     es dafür nicht nur großer Finanzmittel bedarf, sondern auch schwerwiegende technische     Probleme zu lösen sind. Es gibt nämlich in den Netzen dieser Länder  die nach wie     vor keineswegs auf dem modernsten Stand sind  zum Teil erhebliche     Frequenzschwankungen.
 
 Viel problematischer ist allerdings, daß der ökonomische Ordnungsrahmen noch längst     nicht westlichen Vorstellungen entspricht. Liberales Wirtschaftsrecht, freier Marktzugang,     beste Entwicklungsbedingungen für junge Unternehmen und ausländisches Investment sowie     eine intakte Infrastruktur sind Vorraussetzungen, die annähernd nur in Polen gegeben     sind. Hinzu kommt die Wirtschaftskrise, die seit Mitte 1998 die Russische Föderation     erschüttert. Hiervon sind auch Estland, Lettland und Litauen stark betroffen, zumal ein     Großteil der russischen Ex- und Importe über deren Häfen abgewickelt werden und dieses     lukrative Geschäft zur Zeit ins Stocken geraten ist.
 
 "Balt-Rel", an dem elf Ostseeanrainer beteiligt sind und das von dem     schwedischen Chefenergetiker Karl-Eric Nukwist geleitet wird, ist kein geschlossenes     Projekt, sondern eine Summe von Einzelvorhaben. Zu deren Verwirklichung müssen die     Stromversorgungsnetze der baltischen Staaten, die bislang dem russischen UPS-Verbundsystem     parallel geschaltet sind, synchron mit dem westeuropäischen UCPTE-Verbundnetz betrieben     werden. Eine Aufgabe, die nur über einen längeren Zeitraum und mit einem großen     Finanzaufwand umgesetzt werden kann. Gleiches gilt für Polen, wo ebenfalls viel     Modernisierungsarbeit zu leisten ist.
 
 Noch wird die Elektrizität in Polen zu 96 Prozent aus Kohle erzeugt. Die Kraftwerke     sind veraltet und besitzen in der Regel keine Entschwefelungsanlagen. Bis zum Jahr 2010     sollen die Altanlagen größtenteils stillgelegt sein und Neubauten weichen, die sich auf     Gas stützen. Daneben werden lokale Heizkraftwerke stark an Bedeutung gewinnen. Preussen     Elektra, das bereits mit den Versorgungsbetrieben von Elbing, Danzig und Posen     zusammenarbeitet, baut zum Beispiel in Elbing eine Gas- und Dampf-Turbinen-Anlage mit     einer Leistung von 150 Megawatt. Bezeichnend für die Ambitionen des deutschen     Energieversorgers ist es, daß er in Warschau eine eigene Vertretung unterhält.
 
 
 
 
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