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Bauhaus: Am Ende

 
     
 
Die Jahrhundertwende oder besser gesagt die Jahrtausendwende ist in greifbare Nähe gerückt. Trotzdem scheint es so, daß diese "Zeitensprung", abgesehen von den nur scheinbar revolutionären Ereignissen wi vorgebliche Globalisierung oder der rasanten Entwicklung im Multimedienbereich, wei weniger umwälzenden Charakter trägt als es bei den neuen Strömung
en vor 100 Jahren de Fall gewesen ist. Ja, es ließe sich sogar sagen, daß die damals in Angriff genommene Problembereiche nachgerade noch immer ungelöst sind und auf zufriedenstellender Antworten im neuen Jahrtausend harren.

Einig waren sich um 1900 viele maßgebliche Kreise vor allem in der Kunst, daß zuvo praktizierte Äußerungsformen, das heißt, das Kompendium bestehend aus Form, Inhalt un Geist, einer neuen Definition und damit eines neuen, den eingetretenen Entwicklunge gerecht werdenden Ausdrucks bedürfe. Es wurde allenthalben bis tief ins Unterbewußtsei wahrgenommen, daß ein Kulturbereich, der von griechischer und römischer Zeit über da Mittelalter bis zum Klassizismus des 19. Jahrhunderts reichte, letztlich unwiederbringlic verlorengegangen war. Aber was tun, wenn nicht nur reines Adeptentum gepflegt werde sollte? Und welchen Stellenwert sollte der Mensch in dieser Entwicklung einnehmen?

Diese und andere Fragen trieben auch den Anthroposophen Rudolf Steiner um, als er 190 in einem Vortrag in München sagte: "Das ist die Hauptsache, daß der Mensch nich dasjenige, was er einmal in einen schönen Begriff gebracht hat, nun für eine ewig Weisheit hält. Man wird sich daran gewöhnen müssen, die Begriffe flüssig zu machen, zu erkennen, daß Begriffe sich verändern, und das wird ein Fortschritt sein. Dies Möglichkeit, von starren, dogmatischen Begriffen überzugehen in flüssige, das ist es was ausgebildet werden muß in denjenigen Menschen, die die Träger der Zukunft sei wollen."

Es ist nicht von ungefähr, daß Steiner gerade in seinen zahlreiche kunsttheoretischen Arbeiten diese Gedankengänge einfließen ließ. Er hat das vor alle im Hinblick auf seine Vorstellungen von Architektur getan und dabei sinngemäß die Ansicht unterstrichen, daß es eine Linie an sich nicht gebe, sondern, daß sie immer nu ein Symbol für die Darstellung geometrischer Zusammenhänge bedeute, das aber immer in engen Zusammenhang mit dem Menschen zu sehen sei. Daraus entstand neben zahlreiche anderen Strömungen jener Zeit ein ganz bestimmtes, organisches Architekturkonzept de Steinerschen Kreises.

In seinen Anfängen zwar durchaus metaphysisch geprägt, aber in der Konsequenz dan der eigentlichen Essenz des Menschen entgegengerichtet, entwickelte der Berliner Architek Walter Gropius (1883 – 1969) in jener Zeit gleichfalls ein Konzept des "Neue Sehens" vor allem in der Architektur, das gemeinhin unter dem Begrif Bauhaus-Architektur oder noch allgemeiner als Bauhaus-Kunst mit tiefgreifenden Folge insbesondere für die deutsche Architektur bekanntgeworden ist.

"Das Endziel aller künstlerischen Tätigkeit ist der Bau", postuliert Gropius, als er 1919 die Leitung der ehemaligen Großherzoglichen Hochschule für Bildend Kunst in Weimar übernahm und daraus eben jenes Bauhaus machte. In dem Gründungsaufru heißt es weiter, ihn (den Bau) zu schmücken, "war einst die vornehmste Aufgabe de bildenden Künste ... Heute stehen wir in selbstgenügsamer Eigenheit, aus der wir ers wieder erlöst werden können durch bewußtes Mit- und Ineinanderwirken aller Werkleut untereinander."

Das angebotene und zunächst verblüffende Konzept blieb nicht ohne Erfolg. Ließ e doch das mittelalterliche Prinzip der Bauhütten wieder aufleben und bot es doch eine entsprechenden Ausbildungsgang mit zusammenlebenden Lehrlingen und Gesellen, die es zu Meistern bringen sollten. Und es achtet darauf, dem Zuwachs an Menschen sowie de fortschreitenden weltweit spürbaren Technisierung gerecht zu werden. So war denn auch da von Gropius verkündete Credo "Kunst und Technik – eine neue Einheit" ei durchaus zeitentsprechendes Postulat.

Die Problemstellung war allerdings nicht neu, denn spätestens mit Beginn des 17 Jahrhunderts sah sich vor allem die Architektur vor das Problem gestellt, dem Anwachse der Bevölkerung und der immer mehr zunehmenden Vergrößerung der Heere gerecht zu werden. Damals, so scheint es, hat aus schierer Zweckmäßigkeit der bewußte Rückgrif auf Geometrie mit seinem einhergehenden Mißverständnis hinsichtlich der Linie in Steinerschen Sinn begonnen. Bis heute gibt es keine profunde Erforschung de sozio-kulturellen Bedeutung der Kaserne.

Die Jesuiten beispielsweise ließen nach Geometriemustern, die sich reichlich wenig u menschliche Belange kümmerten, in Südamerika ganze Städte errichten. Nachdem Lissabo im Jahre 1755 durch ein Erdbeben fast dem Erdboden gleich war, erwirkte ein königliche Dekret den Wiederaufbau der Unterstadt in Form von aneinander gereihten Quadraten Ähnlich wie in Mannheim, wo der Kurfürst den Bau der Stadt als einen Kreis mi eingefügten Quadraten verordnete. Noch heute gibt es dort keine Straßennamen, sonder nur Buchstaben und Ziffern.

Es war dies ganz offenbar der Beginn einer ständig zunehmenden, aber durch geschickt Architekten beim dezenten Rückgriff auf kulturelles Erbe abgemilderten Monotonie. I derartiger, aber reichlich mißglückter Weise versuchten auch noch die Architekten de Gründerzeit stetig ansteigende Anforderungen an Unterbringung von Menschen un Einrichtung von Industriegebäuden der Monotonie zu begegnen. Ein Versuch, der manchma aberwitzige Formen annahm.

Gropius und sein Bauhaus, zu dem angesichts der ganzheitlichen Konzeption auch Male wie Paul Klee, Oskar Schlemmer, Wasily Kandinski und Lyonel Feininger gehörten, wollte wie viele andere Abhilfe schaffen und diese Milde und von ihnen verlogen genannt Monotonie nicht länger hinnehmen. Für Gropius, der für den ihn umgebende Künstlerkreis und seine Schüler fast die Rolle eines Gurus spielte, stand vor allem in der Architektur die reine geometrisch Form als Alternative, die allenfalls die Natur in sich hineinwachsen, aber letztlich den menschlichen Widerschein vermissen ließ.

Funktionalismus war jetzt das Zauberwort, dem sich alle anderen gestalterischen Forme unterzuordnen hatten. Die reine Zweckorientiertheit war tonangebend. Selbst die kleinste Einrichtungsgegenstände wurden in ihrer abstraktesten Form gestaltet, nur da Horizontale, das Vertikale und der Kreis standen zur Verfügung. Gleichzeitig war die auch die Geburtsstunde dessen, was bis heute unter Design verstanden wird.

Es lag natürlich ganz im Sinne der fortwährend betonten Fortschrittlichkeit, da Gropius vorzugsweise Arbeiterwohnhäuser baute. Und wer möchte ihm dies verdenken Erfolgreich versucht hat er sich auch an Krankenhäusern, Lagerhäusern, Theatern Papierfabriken und Juweliergeschäften. Immer wieder sind es die reinen, au vermeintlicher Linienführung beruhenden geometrischen Formen, die zwar auf Grund de kompositorischen Arbeit verblüffen und in der Tat viel an unnötigem Beiwerk beseitig haben. Aber an die Stelle der fragwürdig gewordenen milden Monotonie ist eine neu Monotonie getreten. Sie verblüfft zunächst, stößt aber die Mehrzahl der Menschen in Unbewußten ab. Die These scheint sich zu bewahrheiten, daß im Ablauf der Kulture Rückgriffe auf die reine Geometrie zumeist einen Mangel an umfassender Geistigkei bedeuten.

Zugegeben, Gropius und sein Bauhaus mögen auch Überlegungen über das notwendig Fließen der Begriffe angestrengt haben. Allein, die Bauhaus-Revolution hat zu neue Dogmatismus in Gestalt der absoluten geometrischen Komposition geführt, die sich eher de Kollektiven als dem Individuellen verpflichtet fühlt. So kam es denn auch nicht vo ungefähr, daß Gropius 1928 die Direktorenschaft für das Bauhaus an den überzeugten un praktizierenden Schweizer Marxisten Hannes Meyer abgab. Fortan wurde das Bauhaus auch ein "Kathedrale des Sozialismus" genannt. Zuvor, 1925, war die Kunst- un Architekturschule von Weimar nach Dessau verlegt worden. Querelen mit einer angeblic nationalistisch gesinnten Weimarer Verwaltung hätten den Ausschlag dafür gegeben, heiß es heute, jedoch scheinen die Umzugsgründe eher persönlicher und subtilerer Art gewese zu sein.

Fest steht allerdings, daß im Herbst 1932 die Räume in Dessau auf Drängen de Dessauer Parlaments gekündigt und der Unterricht eingestellt wurde. Leiter des Bauhaue war damals der Architekt Mies van der Rohe, der daraufhin die Schule privat in Berlin-Steglitz weiterführte. Im April 1933 wurde auf Drängen der Dessaue Staatsanwaltschaft das Berliner Haus durchsucht und vorläufig geschlossen. Im Jul desselben Jahres sah sich Mies van der Rohe zur Auflösung des Bauhauses gezwungen.

Es ist nicht zu leugnen, daß zwischen den an die Macht gelangten Nationalsozialiste und dem Bauhaus eine tiefe Gegnerschaft bestand. Andererseits ist aber auch nicht zu bestreiten, daß die NS-Architektur ohne ihre oft unendlich peinlich heroisierende Auswüchse sehr wohl darum bemüht war, den Anforderungen von Bevölkerungszuwachs, vo wachsenden Industriebereichen und von besseren sozialen Bedingungen gerecht zu werden. Die kategorische Ablehnung der Architektur jener Zeit im Wohnungsbau und anderen Zweckbaute hält einer wissenschaftlichen Betrachtung nicht ohne weiteres stand. Wie beim Bauhau stand dort auch der Gedanke zur Überwindung der Monotonie im Vordergrund. Die Antworte waren nur verschieden.

Gropius jedenfalls emigrierte in den 30er Jahren in die Vereinigten Staaten. Dort fan er ein breites Arbeitsfeld vor und konnte seine Ideen vom neuen Bauen weltweit verbreiten Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich der Bauhausgedanke in sehr unterschiedliche Weise weiter. Während in der 1949 entstandenen DDR der Bauhausgedanke lange Zeit verpön war und erst in den 70er Jahren an eine Rekonstruktion des Schulgebäudes gedacht wurde wuchs der Gedanke an Gropius und sein Bauhaus in der Bundesrepublik geradezu ins Kraut Die Bausünden der 50er und 60er Jahre beispielsweise in Westberlin sprachen ein deutliche Sprache.

Währenddessen baute Gropius in New York seinen "Pan-Am"-Wolkenkratzer un kam gegen sein Lebensende in seinem Buch "Die neue Architektur und das Bauhaus" zu verblüffenden Einsichten: "Niemand, der die Quellen der neuen Baubewegung .. kennt, kann behaupten, daß sie anti-traditionell sei und eine mechanistische Technik als Selbstzweck ansehe, die blindlings alle tieferen nationalen Bindungen negiert und zu reinem Materialismus führt."

Was Gropius hier sagt, ist zweifellos bemerkenswert, aber durch die von ihm geplant und nach ihm benannte Gropiusstadt in Berlin ziemlich widerlegt. Dieser mehr als 120 00 Einwohner zählende Ortsteil des Bezirks Neukölln hat es mit seinen reinen geometrische Formen nie über den Status einer sogenannten Schlafstadt hinaus gebracht. Die Mensche gehen morgens zur Arbeit und kehren nur für die Nacht zurück, es gibt kaum Integratio und kein wirkliches Miteinander beispielsweise in Lokalen, auf Plätzen oder andere Einrichtungen. Hier wurde das Wirklichkeit, was das Bauhaus schon in seinen Ursprünge wollte: Weg von der milden Monotonie und Schaffung einer geometrischen und nu geometrischen Welt. Der Stellen
 
     
     
 
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