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Berlin und Brüssel - die Totengräber unserer Wirtschaft

 
     
 
Unsere derzeitige ökonomische Notlage ist - ohne Wenn und Aber - ursächlich auf eine sich tendenziell verstärkende Wachstumsschwäche zurückzuführen, die nun bereits 13 Jahre andauert. Nach Wachstumsraten von 5,7 und 5,0 Prozent Anfang der 90er Jahre im unmittelbaren Gefolge der Wiedervereinigung sowie 2,2 Prozent 1992 brachten wir danach im zwölfjährigen Jahresdurchschnitt nur noch magere 1,4 Prozent zustande, zuletzt sogar mit zwei Nullen vor dem Komma, 0,6 und 0,2 Prozent 2001 und 2002.

All unsere aktuellen Probleme - Arbeitslosigkeit
, Defizite, Schulden, Sozialleistungen und Renten, die kaum noch zu finanzieren sind, müssen wir deshalb im Kern auf unser außergewöhnlich geringes Wachstum zurückführen; denn bei dreiprozentigem Wachstum bestünden die vorgenannten Probleme höchstens partiell, und wenn, dann auch nur infolge der Wiedervereinigung. Doch selbst über diesen eindeutigen Sachverhalt herrscht im Lande keine Einstimmigkeit. Und was gar die Ur- sachen unserer Wachstumsschwäche betrifft, laufen Meinungen und Standpunkte unendlich falsch und weit auseinander - viele Politiker haben diesen fallenden Trend selbst heute noch nicht einmal erkannt. "Wir leben über unsere Verhältnisse", glaubt Finanzminister Eichel, aber in Wahrheit ist die Regierung unfähig. Sie bringt nämlich nur ein Mini-Wachstum zustande.

Bundeskanzler wie Finanzminister redeten uns stets ein, daß die schlechte Konjunktur unser Wachstum behindern würde, samt Terrorismus, Irak-Konflikt sowie zu hohen Ölpreisen, und für unseren inländischen Reformstau machte die Regierung, ohne mit der Wimper zu zucken, natürlich die Opposition verantwortlich. Allerdings, vor der eigenen Tür hat die Regierung nie so richtig gekehrt, und vor der Brüsseler Haustür überhaupt noch nicht, obwohl sich gerade dort Unfähigkeit und Korruption ganz offensichtlich auftürmen. Ich meine das Brüsseler EU-Mißmanagement, das Eurolands Wachstum um jährlich ein Prozent verkürzt und unser deutsches Wachstum mittlerweile gar um rund zwei Prozent - pro Jahr - wohlgemerkt.

Erstens fallen in Deutschland Jahr für Jahr etwa 0,8 Prozent Wachstum allein infolge unserer extrem überhöhten Nettozahlungen an die EU zur Finanzierung der Süd-Erweiterung aus. Zweitens bewirkt der Euro-Stabilitätspakt zusätzlich etwa ein Prozent Wachstumsverlust, allein bedingt durch den Zwang zum Haushaltausgleich. Mittlerweile ist dies längst keine vage Vermutung mehr, sondern ein realer Sachverhalt; denn die EU-Länder ohne Euro, also Dänemark, Großbritannien, Schweden, wuchsen im vergangenen Jahr mit real 1,8 Prozent mehr als doppelt so schnell wie alle Euroländer zusammengenommen mit enttäuschenden 0,8 Prozent.

Im ersten Quartal 2003 brachten es die Briten sogar auf 2,2 Prozent, Euroland schaffte wiederum nur ein Prozent. Der Wachstums-Vorsprung aller nicht an den Euro-Stabilitätspakt gebundenen Länder vergrößert sich folglich immer mehr, der Wachstums-Ausfall hingegen durch den Stabilitätspakt geht 2003 aller Wahrscheinlichkeit nach sogar über ein Prozent hinaus. Folglich ist für Eurolands Mini-Wachstum nicht nur die Bundesregierung verantwortlich, sondern genauso die EU.

Tony Blair hält dessen ungeachtet dennoch am Euro fest, aber die Briten müssen deshalb noch lange nicht dem Stabilitätspakt beitreten - einfach, weil das für Großbritannien sowohl politisch wie sachlich absolut unvertretbar wäre. Wegen Eurolands deutlich schlechterer Konjunktur lehnt Blairs Stellvertreter und Konkurrent um den Parteivorsitz, Schatzkanzler Brown, den Beitritt zum Euro nach wie vor ab, ebenso die Torys und die Liberalen.

Großbritanniens Konjunktur ist zwar nicht gerade imponierend, aber immerhin zwingt sie jetzt Eurolands Staats- und Regierungschefs zum Nachdenken über den Stabilitätspakt. Britanniens Arbeitslosenquote sinkt jedenfalls tendenziell, demnächst könnte sie bereits eine Vier vor dem Komma haben. Eurolands Quote hingegen steigt an bis hinauf zur Neun vor dem Komma. Damit ist das strategische Ziel der EU, mit dem Euro die Arbeitslosigkeit zu überwinden, gescheitert.

Mit einem Wachstum von über zwei Prozent könnte der britische Staatshaushalt demnächst ausgeglichen sein, Deutsche und Franzosen aber, Italiener und Portugiesen marschieren ungehemmt und ungeniert auf ein Vier-Prozent-Defizit los, angeführt von Chirac, der noch vor Gerhard Schröder begriffen hat, daß Arbeitslosigkeit, Defizite und Schulden überhaupt nur mit Wachstum zu überwinden sind.

Mit 1,3 Prozent Inflation hatten die Briten deutlich weniger Geldentwertung als Franzosen und Italiener, oder genauso wenig wie wir, so daß das Pfund im Inland wie gegenüber dem Ausland überraschend stabil blieb. Londons Staatsschulden sanken von 48 auf 38 Prozent, Berlin stockte von 60,7 auf 62,4 Prozent auf - Berlin mit, London ohne Euro.

Wenn Brüssel deshalb den "dummen" Stabilitätspakt nicht schleunigst reformiert, diesen also "intelligenter" handhabt oder möglichst ganz abschafft, dann scheitert die flächendeckende Einführung des Euro, denn ohne Isländer, Norweger und Schweizer, die noch nicht einmal der EU angehören, ohne Dänen, Briten und Schweden, die kaum dem Euro beitreten werden, blieben dann Deutsche und Österreicher als traditionelle Hartwährungsländer allein mit zehn traditionellen Weichwährungsländern im Euro. Damit würde Maastricht, das den Euro flächendeckend vorschreibt, verletzt.

Ich gehe deshalb davon aus, daß zwar nicht der Euro scheitert, wohl aber der Euro-Stabilitätspakt, weil er Eurolands Wachstum unerträglich behindert. Die Briten werden dann einen anderen, neuen Euro vorschlagen, der sich statt am frankophonen Ecu am vormaligen DM-Hartwährungsverbund orientiert, so daß die D-Mark am Ende doch noch im Euro voll und ganz zum Tragen käme. Von der Sache her wäre das absolut richtig, denn der "dumme" Euro-Stabilitätspakt wäre ja mit dem D-Mark-Hartwährungsverbund vollkommen überflüssig. Nicht der Euro ist folglich das Problem, sondern die Wachstumsbremse Stabilitätspakt.

Die Bundesregierung jedoch will dessen ungeachtet weiterhin den Haushalt sanieren und die Schulden begrenzen, statt über mehr Defizit und höhere Schulden mehr Wachstum und Beschäftigung anzuschieben und erst später, bei besserer Konjunktur, Defizite samt Schulden wieder abzubauen.

Nun gut, hierzu gehen die Meinungen auseinander, und außerdem führen viele Wege nach Rom. Aber britische Sozialdemokraten schieben eben Wachstum und Beschäftigung über Defizite an, deutsche Sozialdemokraten hingegen haben Wachstum und Beschäftigung längst "an die Wand gefahren", sogar mit strafbaren Defiziten. Trotzdem halten sie am französisch gestrickten "dummen" Stabilitätspakt fest. Wir sehen daran, daß unsere ökonomische Misere nicht etwa ideologisch begründet ist, denn britische Sozialisten sind erfolgreich, deutsche Sozialisten versagen.

Margret Thatcher trotzte Brüssel noch enorme Rabatte zu den britischen EU-Nettozahlungen ab, drohte seinerzeit gar mit EU-Austritt, und Tony Blair ist bisher weder beim Euro noch beim Stabilitätspakt mit dabei, weil diese Brüsseler Instrumente Englands Interessen verletzen.

Helmut Kohl hingegen hatte bereits Euro und Stabilitätspakt zu verantworten, selbstverständlich zugunsten Europas, aber eben gegen die Mehrheit der Deutschen und damit gegen deutsche Interessen, und Gerhard Schröder überweist in diesem Jahr mitten in unserer deutschen Notlage, trotz Stagnation und Rezession, erneut EU-Nettozahlungen in Höhe von 14,7 Milliarden Euro an Brüssel. Das sind 29 Milliarden D-Mark, also wiederum 0,8 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts. Damit schwächt der Bundeskanzler, wie gehabt, unsere Binnennachfrage zusätzlich ab, verkürzt erneut unsere Kaufkraft, bremst den Aufschwung, der ohnehin viel zu spät kommt und nur sehr schwach ausfallen wird.

Damit bestätigt sich: Noch nie schaffte die SPD einen kräftigen Aufschwung, 2003 wiederum nicht! Bereits dreimal wirtschaftete uns die SPD herunter mit Willy Brandt, mit Helmut Schmidt und jetzt mit Gerhard Schröder. Alle drei schafften immer nur Abschwünge!

Darüber hinaus zeigt sich, wie minimal der Wachstumsunterschied zwischen Helmut Kohl mit 1,5 Prozent und Gerhard Schröder mit 1,4 Prozent war. All jene drei Einflußfaktoren aber, die unser Wachstum ganz entscheidend behindern - enorme Wiedervereinigungslasten, extrem überhöhte EU-Nettozahlungen und Euro-Stabilitätspakt - bestehen unvermindert fort.

Dies läßt nur folgenden analytisch-logischen Schluß zu: Unsere Wachstumsschwäche war und ist nicht vorübergehender Natur, etwa eine zyklische Wachstums-Delle, die sich auf Gerhard Schröders Amtszeit begrenzt, sondern ein einschneidender konjunktureller Abschwung oder gar Abstieg, den auch schon Helmut Kohl mit zu verantworten hat. Unsere ökonomische Notlage ist von langer Dauer, sie hat folglich strategische Ausmaße.

Es kann deshalb nicht darum gehen, nur Struktur-Reformen anzumahnen oder uns gar selbst einzureden, wir seien nicht genügend wettbewerbsfähig. Schließlich hatten wir noch 1998 die höchste Stundenproduktivität vor Amerikanern, Japanern und Schweizern, und über die Dollar-Abwertung werden wir 2003 zum dritten Mal Export-Weltmeister. Mit etwa 700 Milliarden Dollar führen wir in diesem Jahr wiederum mehr Waren aus als die USA. Wir haben immer noch oder in diesem Jahr erneut die höchste Stundenproduktivität der Welt, jedenfalls die Westdeutschen, die ja über 90 Prozent unserer Exporte leisten, so daß wir selbst mit einem starken Euro noch rentabel exportieren können, aber das trifft natürlich nicht auf alle Euroländer zu. In den weniger produktiven Euroländern werden die Exporte wohl zurückgehen.

Wir sollten deshalb unsere Wachstumsschwäche nicht immer wieder erneut falsch interpretieren, sondern in Brüssel energisch unsere Nettozahlungen reduzieren, vor allem zugunsten höherer Infrastruktur-Investitionen in den neuen Bun- desländern. Dafür ist der Bundeskanzler zuständig. Er sollte eben nicht nur zu Hause sparen und kürzen, sondern er muß auch unser Geld von Brüssel zurückholen.


Werner Obst schrieb 1984 das Buch "Der rote Stern verglüht! Moskaus Abstieg - Deutschlands Chance!" Das inzwischen in drei Auflagen erschienene Werk erregte beträchtliche Skepsis sowie ungläubiges Erstaunen, denn der Autor hatte mit wirtschaftlichen Fakten und Trends den unmittelbar bevorstehenden ökonomischen Niedergang des Kommunismus geradezu visionär vorausgesagt - samt der Wiedervereinigung Deutschlands.

Seine Biographie: Im Ministerrat der DDR brachte Obst 1965 den Fünf-Jahres-Plan der staatlichen Plankommission zu Fall. Er belegte eindrucksvoll, daß damit die bereits extrem unrentable DDR-Wirtschaft noch weniger abwerfen würde. Mit einer knallharten Studie überzeugte er im Alleingang Ministerpräsident Willi Stoph - gegen massiven Widerstand der Ideologen.

Als Abteilungsleiter "Ökonomische Grundsatzfragen" programmierte er 1966 die DDR-Wirtschaft rigoros auf Rentabilität mit nachhaltigen Effizienzsteigerungen für die volkseigene Wirtschaft. Als dies auf massiven sowjetischen Druck hin rückgängig gemacht wurde, kündigte er seine Arbeit auf. Ein Jahr später gelang ihm über Rumänien und Jugoslawien eine abenteuerliche Flucht in die Bundesrepublik. Ostberlin verurteilte ihn in Abwesenheit zu sieben Jahren Zuchthaus. Heute lebt Werner Obst in München und veranstaltet Seminare für Führungskräfte der Wirtschaft.

Reales Wachstum - von Kanzler zu Kanzler: In der Ära Adenauer/Erhard sowie in den drei Jahren unter Kiesinger hatte Deutschland einen Jahresdurchschnitt von 4,8 Prozent. Brandt und Schmidt lagen im steten Abwärtstrend, unter Kohl gab es - dank der Vereinigung - ein Zwischenhoch, dann aber erneuten Abstieg, den Schröder sogar noch zu forcieren vermochte. Copyright: Werner Obst
 
     
     
 
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