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Berlin war gewarnt

 
     
 
Wie gelangte der Schukow-Plan in die Hand der Deutschen? Noch wissen wir es nicht. Doc früher oder später werden wir eine Antwort auf diese Frage finden."

Diese Enthüllung stammt von einem angesehenen russischen Historiker der jüngere Generation; Klim Eros ist promovierter Geschichtswissenschaftler. Sein Artikel erschien in der Moskauer "Literat
urzeitung" (Literaturnaja Gaseta) vom 6. September.

Zur Erinnerung: Der Schukow-Plan beinhaltet den generalstabsmäßig erarbeitete sowjetischen Aufmarschplan vom 15. Mai 1941. Der Aufmarsch der Roten Armee entlang de Westgrenze der Sowjetunion diente einem geplanten Überfall auf Deutschland.

Darüber ist im ausführlich berichtet worden, ausgehend von einem als Sensation empfundenen Dossier des russischen Publizisten Wladimir Sergejew in der gleiche Zeitschrift, nämlich in der "Literaturnaja Gaseta" vom 21. Juni des Jahres Sergejews Beitrag trug die Überschrift: "Auch wir hatten ,Barbarossa‘. Schukow Plan kein Geheimnis mehr." Sergejew ging indes von der Annahme aus, daß der Inhal des Schukow-Plans im Westen unbekannt gewesen ist. Erst vor kurzem habe man im Archiv de Präsidenten der Russischen Föderation die zwanzig handgeschriebenen Seiten vom 15. Ma 1941 entdeckt, schrieb Sergejew.

Dies sei ein Irrtum, behauptet nun Klim Eros. Der sowjetische Angriffsplan se westlichen Historikern schon seit langem bekannt gewesen, spätestens im Jahre 1992; dabe habe es sich um eine mit der Maschine geschriebene Kopie des Schukow-Plans gehandelt.

"Erstmals stieß ich auf das Schukow-Dokument im Jahre 1992. Das geschah in Norwegen. Damals glaubte ich jedoch an eine Fälschung. 1993 zeigte mir eine Bekannte au Deutschland die ersten drei Seiten des Dokuments, abgefaßt in einer guten Handschrift. D ich aber damals keine Möglichkeit besaß, Quellenforschung vorzunehmen und ein entsprechende Analyse anzufertigen, und weil es mir außerdem nicht möglich gewesen ist ein graphologisches Gutachten hinsichtlich der Handschrift zu bekommen, blieben mein Zweifel an der Echtheit des Dokuments bestehen." So schildert Eros de chronologischen Hintergrund seiner wahrhaft hi-storischen Ent-deckung. "Erst in Herbst 1997 erhielt ich während eines Aufenthaltes im Westen alle 15 Seiten eines mit de Maschine geschriebenen Textes. Nachdem ich diesen Text genauestens studiert und analysier hatte, gelangte ich zu der festen Überzeugung, daß es sich um eine echte Kopie de zuverlässigen Quelle handelt, die wir heute den Schukow-Plan nennen."

Aber Klim Eros geht noch weiter, und gerade darin besteht das Sensationelle seine These: Kurz nach der Fertigstellung des Aufmarschplans und seiner Absegnung durch Stali soll er der deutschen Seite zugespielt worden sein. Zugespielt durch wen? Durch ein ordinären Spion oder einen professionellen Agenten der deutschen Abwehr? Vielleicht durc einen Gesinnungstäter aus den Reihen der antistalinistischen Fronde (?), gar durch eine ehemaligen zaristischen Offizier? Klim Eros macht darüber weder Angaben noch Andeutungen nicht zuletzt deshalb, weil seine Recherchen noch nicht abgeschlossen sind.

Was die "deutsche Seite" anbelangt, auch dazu hüllt sich Eros in Schweigen doch verrät er soviel: es habe sich um eine "deutsche Militärführungsstelle" gehandelt.

Doch was noch gravierender ist und den Ablauf der welthistorischen Ereignisse in Frühjahr und Sommer 1941 in einem neuen Licht erscheinen läßt: Die Deutschen hätten da sie alle Details des Aufmarsch- und Überfall-Planes der Roten Armee kannten wesentliche, ja schlachtentscheidende Korrekturen am ursprünglichen "Fal Barbarossa" (Hitlers Weisung Nr. 21 vom 18. Dezember 1940) vornehmen können Korrekturen, die im Sommer und Herbst 1941 fast zum Zusammenbruch der Roten Armee un damit zum Untergang des Stalin-Systems geführt hätten, schlußfolgert der russisch Historiker. Wörtlich:

"Wie ist es zu erklären, daß die ursprüngliche Variante von Fall Barbarossa die das Zentrum als Hauptangriffsziel ansah, später dahingehend revidiert wurde, daß die Zerschlagung der sowjetischen Südwestfront Priorität erhielt."

In der Weisung Nr. 21 vom 18. Dezember 1940 heißt es dazu: "Bei der südlich de Pripjet-Sümpfe angesetzten Heeresgruppe ist der Schwerpunkt im Raum von Lublin in allgemeiner Richtung Kiew zu bilden, um mit starken Pz.Kräften schnell in die tief Flanke und den Rücken der russischen Kräfte vorzugehen und diese dann im Zuge des Dnjep aufzurollen. Sind die Schlachten südlich bzw. nördlich der Pripjet-Sümpfe geschlagen ist im Rahmen der Verfolgung anzustreben: im Süden die frühzeitige Besitznahme de wehrwirtschaftlich wichtigen Donez-Beckens, im Norden das schnelle Erreichen vo Moskau."

Der revidierte Barbarossa-Plan sah am 22. Juni 1941 tatsächlich eine Offensive gege den sowjetischen Hauptstoß vor, der aus dem Raum Kiew-Lemberg ("Lemberge Balkon") erfolgen sollte, mit sechs mechanisierten Korps, denen rund 4200 Panze – darunter 761 supermoderne T 34 und überschwere Klementij Woroschilow (KW) – zur Verfügung standen.

Im Schukow-Plan kam der Südwest-Front unter dem Kommando von Generaloberst Kirpono feldzugsentscheidende Bedeutung zu, sollte sie doch am Tage X blitzkriegsartig Polen un Oberschlesien überrollen – mit der Einnahme von Lublin, Radom, Tschenstochau Krakau, Mährisch-Ostrau, Kattowitz, Olmütz, Oppeln. (Kirponos, einer der fähigsten mutigsten Armeeführer in der von Stalin 1937 weitestgehend enthaupteten sowjetische Streitmacht, fiel bei einem Ausbruchsgefecht im Kiewer Kessel, September 1941.)

Eros stellt in der "Literaturnaja Gaseta" vom 6. September 2000 lapidar fest "Ich bin davon überzeugt, daß die oberste deutsche militärische Befehlsleitung au Grund der Kenntnis des Schukow-Plans ihren Fall Barbarossa korrigieren, das heiß verbessern konnte."

Unausgesprochen taucht hier die Frage auf, ob nicht gerade das Zuspielen de Schukow-Plans mit eindeutig aggressiven, gegen die Existenz des Deutschen Reiche gerichteten Zielen den 22. Juni ausgelöst hat, in der Erkenntnis, daß man de Vernichtungsschlag Stalins zuvorkommen müsse, um Wochen, ja vielleicht nur noch um Tage Der deutsche Präventivschlag am 22. Juni 1941 – waren letzten Endes Stalin, Schukow Timoschenko und der ganze rote Generalstab ("Stawka") Schuld am Ausbruch de größten Völkertragödie des 20. Jahrhunderts? Der österreichische Militärhistorike Heinz Magenheimer spricht von einem welthistorischen "Entscheidungskampf", un auch Ernst Nolte urteilt über diesen Entscheidungskampf: unvermeidlich und im Jahre 194 unaufschiebbar. Für beide Seiten.

Man kann die Frage auch anders formulieren, nämlich: Wäre die Wehrmacht – un sie ist auf deutscher Seite der Haupttrumpf im sowjetisch-deutschen Zusammenprall – ohne Kenntnis des Schukow-Planes zu einem Präventivkrieg entschlossen gewesen?

Heute steht fest, nach den Forschungsergebnissen der Suworow, Sergejew, Eros: Die Wehrmacht war informiert, und das heißt gewarnt. Sie kannte den Schukow-Plan, zugespiel von wem auch immer. Viktor Suworow bestätigte es noch vor den hochbrisante Veröffentlichungen in der "Literaturnaja Gaseta". In seinem jüngsten Buc "Stalins verhinderter Erst-schlag", in deutscher Überset-zung vor eine halben Jahr er-schienen, liest man: "Ein einheit-licher sowjeti-sche Invasions-plan existierte und wurde in allgemeinen Zügen von der deutsche Aufklärung aufgedeckt. (So kann man die geheimdienstliche Erlangung de so-wjetischen Auf-marschplanes vom 15. Mai 1941 auch nennen! D. Verf.). Der deutsch Botschafter Graf von der Schulenburg legte diesen Plan (bei dem es sich nur um de Schukow-Plan handeln konnte, d. Verf.) am Vormittag des 22. Juni 1941 dem Genosse Molotow ziemlich genau dar ... Dieser von der deutschen Aufklärung aufgedeckt Invasionsplan war eigentlich Grund und Anlaß des deutschen Angriffs, der ein Präventivmaßnahme zum Schutz vor einem unausbleiblichen und baldigen sowjetische Angriff darstellte." (S. 230 f.)

Übrigens: Klim Eros, Doktor der historischen Wissenschaften, bekennt sich ohne Wen und Aber als Verteidiger der Präventivkriegsthese. Im Unterschied zu deutsche Zeitgeschichtlern wie Heinrich August Winkler, Johannes Willms, Jürgen Habermas. I "Neuen Deutschland" vom 31. Juli behauptete ein Günter Rosenfeld, die Präventivkriegsthese sei durch "die Forschung" (welche?) ad absurdum geführ worden. Diese Blamage ist für das "Neue Deutschland" nicht die erste gewesen und sie wird nicht die letzte bleiben. Das alte SED-Zentralorgan hat sich niemals geirrt außer in der Prophezeiung der Dauer von Mauer, DDR, UdSSR.

Klim Eros zerstört so manche andere Legende der Antirevisionisten. So zum Beispiel da Märchen vom nichtsahnenden "Woschd" (Führer, wie Stalin genannt zu werde pflegte), der angeblich den Schukow-Plan nicht paraphiert hat. Der gutgläubige Vater de Völker, von seinen Generälen heimtückisch hereingelegt? An dieser Kolportage wirkt nach dem Kriege auch Berlin-Erstürmer Schukow mit, erzählte er doch dem Sowjethistorike Anfilow – Stalin-Verherrlicher und ein Geschichtsfälscher der professionellen Ar –, Stalin habe bei der Vorlage und Erörterung des vom Generalstab entworfene Aufmarschplanes am 15. Mai 1941 seine Zustimmung verweigert. Schukow wörtlich: "Da war gut, daß er mit uns nicht einer Meinung war. Hätte er zugestimmt, wäre e angesichts des Zustandes unserer Truppen zu einer Katastrophe gekommen." Laut Kli Eros entspricht Schukows Darstellung nicht der Wahrheit. Der Befehl zur Ausarbeitung eine militärischen Aufmarschplanes zum Erstschlag gegen Deutschland kam von Stalin, und nur e konnte eine solche Weisung seinem Generalstab erteilen. Stalin und kein anderer.

"Ohne Zweifel, Schukow war ei- ne tapfere, entscheidungsfreudige, selbstbewußt Persönlichkeit", argumentiert Klim Eros. "Andererseits kann man jedoch schwe glauben, daß Schukow ohne jeglichen Befehl des Generalsekretärs der Partei, der ja auc der Oberkommandierende der Streitkräfte war, an die Ausarbeitung eines so schwerwiegende Dokuments gegangen wäre."

Daß Stalin den Krieg mit Deutschland anvisierte, den Überfall auf de Neutralitätspakt-Partner anstrebte, geht für Klim Eros aus der Stalin-Rede am 5. Ma 1941 hervor, gehalten im Kreml vor Absolventen der roten Kriegsakademien. Stalins Rede a diesem 5. Mai, bis heute totgeschwiegen von den Antirevisionisten in Rußland un Deutschland, gipfelte in einer politischen Kriegserklärung an den Westen im allgemeinen an Deutschland im besonderen:

"Jetzt, nachdem wir unsere Armee reorganisiert, ausreichend mit Mitteln für eine modernen Krieg ausgerüstet haben, nachdem wir stark geworden sind, jetzt müssen wir vo der Verteidigung zum Angriff übergehen", postulierte der angeblich Friedenspolitiker. "Bei der Verteidigung unseres Landes sind wir verpflichtet offensiv zu handeln. Wir müssen von der Verteidigung zu einer offensiven Militärpoliti übergehen. Wir müssen unsere Erziehung, unsere Propaganda, unsere Agitation, unse Pressewesen im Geist der Offensive umgestalten."

Und dann die Ankündigung des Erstschlages: "Die Rote Armee ist eine modern Armee, und eine moderne Armee ist eine Angriffsarmee."

Klim Eros zieht daraus den Schluß, daß die Initiative zur Erstellung eine Überfallplanes bereits vor dem 5. Mai ergangen sein muß. Begründung: In einer kurze Zeit von nur zehn Tagen zwischen dem 5. und dem 15. Mai wäre es dem Generalsta unmöglich gewesen, Stalins Wunsch nach einem Aufmarschplan zu erfüllen. "Aus diese Grunde bin ich davon fest überzeugt, daß Schukow die diesbezügliche Weisung von Stali bereits im April erhalten hat."

Eine Schlußbetrachtung aus der Sicht eines deutschen Geschichtsrevisionisten: Da Vernichtungskrieg-Dogma Stalins 1939–1941 wurde zu einem zentralen Bestandteil de politischen und moralischen Selbstverständnisses der jüngeren Generation russische Geschichtsforscher. Der Forschungsdiskurs in der "Literaturnaja Gaseta" – mit den Schwerpunkten "Kriegsursachen" – spiegelt diese Tendenz wider. E geht um geschichtliche Grundwahrheiten.

Das "Warum" und "Wie" des Schukow-Planes vom 15. Mai 1941 betriff die Kausalfragen des bolschewistischen Völkermordes gegenüber Deutschen und Polen Natürlich ging es Stalin nicht bloß um territoriale Erweiterung. Ernst Noltes These vo einem logischen "Prius" des bolschewistischen Klassen- und Völkermordes vor de Rassenmord Hitlers erfährt im wissenschaftlichen Ertrag des russischen Historikerstreit eine jederzeit beweisbare Rechtfertigung.

Noltes Denken hat im Osten katalytische Wirkung. Nolte bleibt ein Fixstern a historischen Wertehimmel der Sergejew, Eros, Suworow, Neweschin, Bordjugow, Iwanow Schafarewitsch, Awdejew, Tulajew, Petrow, Sokolow – Solschenizyn. Was sich in de Berliner Republik im Labyrinth der sogenannten Holocaust-Forschung widerspiegelt, bilde in Rußland aufgrund empirischer Beiträge die Gulag-Forschung. Dazu gehört auch Stalin sowjetisch-deutscher Krieg.

 
     
     
 
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