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Der wahre Bezwinger Napoleons

 
     
 
August Wilhelm Anton Neidhardt von Gneisenau kam am 27. Oktober 1760 bei Torgau im Kriegslager der Gegner Friedrichs des Großen zur Welt. Sein Vater gehörte als Artillerieleutnant der sogenannten Reichsarmee zu den Kriegsgegnern Preußens im Siebenjährigen Krieg. 1777 nahm der mathematisch begabte Jüngling an der Universität Erfurt ein Studium der Mathematik und Baukunst auf. Durch seinen lockeren Lebenswandel war das großväterliche Erbe jedoch schneller verbraucht als geplant und er deshalb schon im nächstfolgenden Jahr zum Studienabbruch gezwungen. Er erwählte den Beruf seines Vaters. Im Zuge des Bayerischen Erbfolgekrieges lag in Erfurt das österreichische Husarenregiment Wurmser in Garnison, und so trat er in dieses ein. Nach einem Duell mit einem Vorgesetzten hielt Gneisenau es für ratsamer, den Arbeitgeber zu wechseln. 

Als jüngster Leutnant wurde er Angehöriger des ansbachischen Jägerbataillons. Er gehörte zu jenem Kontingent
, das der Markgraf von Ansbach-Bayreuth an die Briten verschachert hatte, und so wurde er in die neue Welt verschifft. Dort kam er zu spät an, um noch in den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg einzugreifen, doch lernte er von den Amerikanern Techniken der asymmetrischen Kriegsführung, die er später in moderne Vorschläge für die Befreiung von der napoleonischen Fremdherrschaft umsetzte. Zurück im alten Europa entschied er sich für die Armee mit dem größten Renommee, die preußische. 1786 wurde er von Friedrich dem Großen kurz vor dessen Tod persönlich in diese aufgenommen. Es folgten zwei Jahrzehnte recht stumpfsinnigen Dienstes in der Provinz. Gneisenau nutzte jedoch diese Zeit, um sich zu bilden und sich ein Bild vom Zustand der Armee zu machen. Da dieses Bild realistisch war, gehörte er zu den wenigen, die von dem für Preußen katastrophalen Ausgang der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt, an der er selber teilnahm, und dem anschließenden Trauerspiel, das die preußische Armee im Angesicht Napoleons bot, nicht geschockt war. 

Das erste Mal auf sich aufmerksam machte Gneisenau als erfolgreicher Verteidiger von Kolberg. „Ich nahm alles auf meine Hörner, kassierte feigherzige Offiziere, lebte fröhlich mit den Braven, kümmerte mich nicht um die Zukunft und ließ brav donnern!“ beschrieb er selber sein damaliges Wirken. Mit seiner mitreißenden Art gab er den Belagerten Kampfgeist, und mit seiner offensiven Verteidigungsstrategie, die nicht erst an den Stadtmauern einsetzte, sondern schon beim Anmarsch der Franzosen durch hinhaltende Rückzugsgefechte mit überraschenden Entlastungsvorstößen einsetzte, zermürbte er den Gegner. Erst als der Krieg verloren war, mußte Gneisenau den Widerstand aufgeben. 10000 Mann Verlust auf Seiten der Belagerer standen nur 3 000 auf Seiten Gneisenaus gegenüber. 

Dieser Erfolg brachte Gneisenau neben dem „Pour le mérite“ die Berufung in die preußische Militär-Reorganisationskommission, wo er sich als Mitarbeiter Gerhard Johann David von Scharnhorsts um die preußischen Reformen auf dem Gebiete des Militärs verdient machte. Nach Scharnhorsts Tod wurde er in den Befreiungskriegen dessen Nachfolger als Stabschef der Schlesischen Armee des „Marschalls Vorwärts“ Gebhard Leberecht von Blücher. Zu dessen legendären Erfolgen trug er mit seiner Stabsarbeit wesentlich bei. Blüchers Verdienst besteht vor allem darin, Gneisenaus Pläne mit seiner Autorität und Popularität gedeckt und durchgesetzt zu haben. Nach dem erfolgreichen Ausgang der Befreiungskriege wurde Gneisenau zum Dank von seinem König in den Grafenstand erhoben. Als 1815 Napoleon von Elba zurückkehrte, wurde das erfolgreiche Duo reaktiviert. Es war Gneisenau, „ein Mann von Genie“, wie Friedrich Engels ihn nicht ohne Berechtigung nannte, der dem Korsen sein „Waterloo“ bereitete. Nach Preußens Niederlage von Ligny erwarteten sowohl der Sieger Bonaparte als auch das Offizierskorps der geschlagenen preußischen Armee einen Rückzug Richtung Westen. Gneisenau hatte jedoch eine geniale Idee, und da Blücher noch als vermißt galt, hatte er auch die Kommandogewalt, diese umzusetzen. Statt sich Richtung Westen vom Gegner abzusetzen, ließ er seine Männer in einer kühnen Aktion wie Napoleon Richtung der Engländer im Norden marschieren. Das Ergebnis war, daß die Preußen durch ihr spätes, aber nicht zu spätes Eintreffen auf dem Schlachtfeld von Belle Alliance die Entscheidung brachten und dem Franzosenkaiser die alles entscheidende endgültige Niederlage zufügten. Durch sein entschiedenes Nachsetzen sorgte Gneisenau dafür, daß sich der Franzose von diesem Schlag nicht mehr erholte und mit der Schlacht auch den Krieg verlor. Gneisenau wurde zum General befördert und erhielt den Schwarzen Adlerorden. Der angebliche Jakobiner blieb Friedrich Wilhelm III. jedoch suspekt. So stellte er ihn, nachdem er seine Schuldigkeit getan hatte, kalt und beließ ihm nur repräsentative Funktionen. 

Zu des Königs Verteidigung muß man jedoch sagen, daß Gneisenau wohl selbst den heute Herrschenden zu demokratisch gewesen wäre. So wären die heutigen Wehrpflichtigen froh, wenn Gneisenaus nun fast zwei Jahrhunderte alte Forderung Realität wäre: „Die zusammengebrachten Bataillone wählen sich selbst ihre Unteroffiziere und Offiziere.“ Diese Gegenleistung des Staates an seine Männer dafür, daß diese ihn verteidigen müssen, ist er bis heute schuldig geblieben. Bei den Feierlichkeiten zum zehnten Jahrestag des Meisterstücks Gneisenaus am 18. Juni 1825 wurde ihm wenigstens die letztmögliche Beförderung, die zum Generalfeldmarschall, zuteil. Und 1830 erhielt er endlich, was er zuvor vergebens erhofft hatte, ein eigenes Kommando. Lange konnte er dieses jedoch nicht führen. Am 23. August 1831 fiel er in Posen einer aus Rußland über Polen eingeschleppten Choleraepidemie zum Opfer.
 
     
     
 
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