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Die Tragödie von Budapest

 
     
 
Am 1. Dezember 1944 erklärte Hitler Ungarns Hauptstadt zur Festung, die bis zum letzten verteidigt werden müsse, um den Zusammenbruch des Südabschnittes der Ostfront zu verhindern. Die russischen Truppen der Marschälle Malinowskij und Tolbuchin hatten bereits am 3. November die östlichen Vororte von Budapest erreicht und in den Weihnachtstagen nach erbitterten Kämpfen den Belagerung
sring um die Stadt geschlossen. Als die Verteidiger nach einem verzweifelten Ausbruchsversuch am 13. Februar kapitulierten, hatte der 102 Tage dauernde Kampf um Budapest 150 000 Tote gefordert.

Diese wenig bekannte Tragödie des Zweiten Weltkrieges kann nur mit dem Ringen um Leningrad oder Stalingrad verglichen werden. Der ungarische Militärhistoriker Dr. Krisztián Ungváry hat anhand von bisher unveröffentlichten ungarischen und deutschen Quellen eine Dokumentation vorgelegt, die in Ungarn schon ihre dritte Auflage erreicht hat und die nun auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Ungváry ist in Deutschland durch seine aufsehenerregende Kritik der Reemtsma-Ausstellung bekanntgeworden. Der Autor zeichnet auf 500 Seiten ein breit angelegtes Bild der militärischen Ausgangslage, der einzelnen Phasen der Verteidigung, der beteiligten Verbände, der politischen Verhältnisse und der Judenverfolgung in der Stadt während der Belagerung.

Ungarische und deutsche Truppen in etwa gleicher Stärke verteidigten Budapest. Waffen-SS und Wehrmacht stellten das deutsche Kontingent. Reibungen zwischen den Kommandostrukturen konnten daher nicht ausbleiben. Es gab auf beiden Seiten hochmotivierte ebenso wie zusammengewürfelte Einheiten mit mangelhafter Ausbildung sowie relativ viele Deserteure bei den Ungarn und auch bei Waffen-SS-Verbänden, die sich aus zwangsrekrutierten Volksdeutschen zusammensetzten. Hitler bestand bis zuletzt unnachgiebig darauf, Budapest zu halten, und verbot jeden Ausbruchsversuch.

Die Wehrmachtführung verlegte nach der völligen Einschließung der Stadt an Weihnachten alle an der Ostfront entbehrlichen Reserven nach Ungarn. Es scheiterten jedoch alle drei Offensiven zur Befreiung der Verteidiger. Der Kampfkommandant SS-Oberführer Pfeffer-Wildenbruch lehnte trotz der aussichtslosen Lage eine Kapitulation ab und entschied sich für den Ausbruch der letzten Verteidiger erst, als dieser Versuch keine Chance mehr hatte und der Hälfte der Beteiligten das Leben kostete. Am 13. Februar kapitulierten die Überlebenden.

Politisch hatten nach der Entmachtung der Regierung Horthy, die für Ungarn den Krieg beenden wollte, am 15. Oktober 1944 die rechtsextremen Pfeilkreuzler die Macht übernommen. Sie praktizierten bis in den Januar die "Endlösung der Judenfrage" mit einer Radikalität, die auch bei deutschen Verteidigern auf Widerspruch stieß und die Rettungsbemühungen ausländischer Gesandtschaften und kirchlicher Stellen auslöste. Raoul Wallenberg hat damals in eigener Initiative mit der Ausstellung von schwedischen Schutzpässen Tausenden von Juden das Leben gerettet. Zwei bedrückende Kapitel des Buches schildern die Leiden der Bevölkerung Budapests während der Belagerung und die zum Teil barbarischen Übergriffe der Russen nach der Eroberung der Metropole.

Rückblickend steht der Würdigung der hohen Kampfmoral und Selbstaufopferung vor allem vieler deutscher Soldaten die hohe Zahl der Opfer gegenüber, die einem untergehenden verbrecherischen Regime gebracht wurden. Auch der Schutz der Heimat und der Familien vor den russischen Soldaten und vor einem Sowjetsystem war schon seit 1944 aussichtslos geworden. Der Autor zeigt mit seinem Buch das ganze Ausmaß der Tragödie, deren Opfer nicht Anklage und Verdammung, sondern ein Gedenken verdienen, das der Würde von so viel Leid gerecht wird.

Für eine Neuauflage des Buches ist eine Straffung des Textes und eine sprachliche Überarbeitung zu empfehlen. So sind für den deutschen Leser viele Details, Personen- und Ortsbeschreibungen unwichtig, die dem ungarischen Leser etwas sagen oder denen dieser in Budapest nachgehen kann.
Meinrad Frhr. v. Ow

Krisztián Ungváry: Die Schlacht um Budapest. Stalingrad an der Donau 1944/45, Herbig Verlag, München 1999, 504 Seiten, 86 Abb. und Karten, Leinen, 68 Mark

 
     
     
 
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