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Ein Schlag ins Gesicht

 
     
 
Marion Gräfin Dönhoff bleibt sich treu. Seit annähernd 50 Jahren beantwortet sie Fragen der Zeit regelmäßig im Sinne des herrschenden Zeitgeistes. Dieser Zeitgeist weht sozial, bisweilen auch sozialistisch, liberal, häufig auch libertär, manchmal antifaschistisch im Sinne des kommunistischen Antifaschismus und immer links.

Die Wochenzeitung "Die Zeit" dient der gebürtigen Ostpreußin als Sprachrohr. Der Zeitgeist ist seit 1946 bis heute intensiv bemüht, das deutsche Volk
als verbrecherisches Tätervolk zu brandmarken, er unterdrückt die Tatsachen, die belegen, daß Deutsche zum Ende des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren millionenfach Opfer der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges wurden.

In der Ausgabe der "Zeit" vom 20. Mai ist ein Interview mit der "roten Gräfin" abgedruckt, in welchem sie auf die Frage, ob die Bilder von Flucht und Vertreibung auf dem Balkan sie an das erinnern, was sie selbst 1945 erlebt hat. Die Antwort – wörtliches Zitat: "Nein, das war ganz anders. Wir wurden aus politischen Gründen vertrieben, nicht aus ethnischen. Wir wurden nicht systematisch verfolgt und beschossen, sondern da war dieser trostlose Zug von zwölf Millionen Flüchtlingen. Wir wußten nicht, was aus uns wird. Die Heimat hinter uns war weg, hinter uns war nichts. Im Kosovo dagegen werden die Leute zu Tausenden umgebracht und vertrieben, aber die Flüchtlinge hoffen natürlich, in ihre Heimat zurückkehren zu können". Ende des wörtlichen Zitats.

Das ist eine ungeheuerliche Aussage, die den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Die zweieinhalb Millionen Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation werden durch die Aussagen der Interviewten gewissermaßen ein zweites Mal getötet, sie werden aus dem kollektiven Gedächtnis der Deutschen gelöscht. Für die Überlebenden des Genozids an den Ostdeutschen, für die Millionen Geschändeten, Deportierten, körperlich und seelisch Verkrüppelten ist die zitierte Aussage der Dönhoff ein Schlag ins Gesicht.

Was veranlaßt Marion Gräfin Dönhoff zu ihrer Aussage, mit der sie die historischen Tatsachen auf den Kopf stellt. Es gibt zwei mögliche Erklärungen.

1. Die im 90. Lebensjahr stehende Dame ist senil und sich der Bedeutung ihrer Aussage nicht mehr recht bewußt. Sollte dies der Fall sein, kann man die hoch betagte Ostpreußin nur bedauern und zur Tagesordnung übergehen.

2. Sie sagt die Unwahrheit und betätigt sich damit als Sprachrohr bestimmter Interessengruppen. Bewußt die Unwahrheit sagen, heißt lügen.

Wessen Interessen dient Gräfin Dönhoff mit der Verharmlosung der schrecklichen Massenaustreibung der Ostdeutschen, die zumindest hinsichtlich der Dimension in der bisherigen Menschheitsgeschichte einzigartig ist?

Reinhard Maurer schreibt in einem Aufsatz "Schuld und Wohlstand": Die Behauptung und Betonung der Einzigartigkeit der deutschen Schuld hat einen hohen Wert für die Durchsetzung bestimmter Interessen. Man will den Deutschen ein dauerhaft schlechtes Gewissen machen, will sie daran hindern, ein normales, nationales Selbstbewußtsein zu erlangen oder wiederzuerlangen (falls sie es je gehabt haben) um sie zu diesem und jenem bewegen zu können. ("Die selbstbewußte Nation", 1994, S. 73/74)

An dieser bis heute gültigen politischen westlich-deutschen Generallinie hat die "Zeit"-Herausgeberin beharrlich mitgewirkt. Wenn die Vertreibungsverbrechen im Bewußtsein der heutigen staatstragenden Generation wären, wenn in den Köpfen der Nachwachsenden verankert würde, daß Deutsche 1945 und später millionenfach Opfer wurden, ließe sich diese westlich-deutsche Generallinie auf Dauer nicht aufrecht erhalten.

Die Kosovo-Ereignisse erhellen heute wieder das Schicksal der Deutschen aus den Ostprovinzen Reichsdeutschlands, sowie der deutschen Volksgruppe aus den südosteuropäischen Ländern. Es ist für deutsche Überlebende der Vertreibung schmerzlich mit anzusehen, daß es für viele Zeitgenossen offenbar erst soweit kommen mußte – daß erst ein neuerliches Vertreibungsverbrechen zahllosen Menschen Augen und Herzen geöffnet hat für das schreckliche Schicksal der Heimatvertriebenen ihres eigenen Volkes. So erteilte die Geschichte allen Bürgern dieses Landes auf schreckliche Weise ein zweites Mal den historischen Auftrag zur gründlichen Aufarbeitung der Vertreibungsverbrechen an den Deutschen. Diese Aufarbeitung ist unabdingbare Voraussetzung für die weltweite und dauerhafte Ächtung von Vertreibung, die immer mit Völkermord einher geht.

Damit käme auch die westlich-deutsche Generallinie ins Wanken, die bisher für den größten Teil der bundesdeutschen politischen Klasse gewissermaßen als Staatsräson gilt. Im politischen Establishment formieren sich nun die Gegenkräfte. Die Einzigartigkeit der Vertreibungsverbrechen an den Ostdeutschen und den südosteuropäischen Deutschen darf nicht in das Bewußtsein der heutigen staatstragenden Generation gelangen. Unisono tönt es deshalb verharmlosend, die Flucht der Ostdeutschen sei mit den schrecklichen Kosovo-Ereignissen nicht zu vergleichen. Schon der damalige Bundespräsident v. Weizsäcker sprach 1985 von der "erzwungenen Wanderschaft". Aus Polen und Tschechien wird ebenfalls dem Vergleich der heutigen Balkanvertriebenen mit der Massenaustreibung der Ostdeutschen vehement widersprochen.

Die Massenaustreibung der Ostdeutschen ab 1945 und die heutigen Austreibungen aus dem Amselfeld sind vergleichbar insoweit, als es sich in beiden Fällen um Völkermord handelt. Aber es gibt gravierende Unterschiede. In der zahlenmäßigen Dimension entsprach die ostdeutsche Massenaustreibung dem zwanzigfachen der heutigen Kosovo-Austreibung. Es gab damals kein Militärbündnis, das den Vertreibern in den Arm fiel, und es gab damals keine weltweite Solidarität mit den Vertreibungsopfern. Gottlob ist das heute anders. Die Vertreibungen auf dem Balkan sind gewiß brutal und verbrecherisch, gleichwohl lassen die heutigen modernen Überwachungsmaßnahmen durch Flugzeuge und Satelliten nicht zu, daß die serbische Soldateska die flächendeckenden Verbrechen begeht, die die Rote Armee in Ostdeutschland, Pommern und Schlesien 1945 begangen hat.

Daß die Gräfin Dönhoff von der schrecklichen Einzigartigkeit der Vertreibungsverbrechen an den Ostdeutschen weiß, belegt ihr 1962 erschienenes Buch "Namen, die keiner mehr nennt". Wir zitieren einige Passagen: "Und so kam es, daß jene chaotische Situation heraufbeschworen wurde, in deren Strudel auch ich geriet. Nämlich das Ineinanderfluten von drei großen Wellen: Das Zurückströmen einer geschlagenen Armee, die planlose Flucht der Zivilbevölkerung und das Hereinbrechen eines zu äußerster – vergeltender – Grausamkeit entschlossenen Feindes".

"Man war in jenen Jahren so daran gewöhnt, daß alles, was durch offizielle Stellen veröffentlicht oder mitgeteilt wurde, gelogen war, daß ich zunächst auch die Bilder von Nemmersdorf für gefälscht hielt. Später stellte sich aber heraus, daß dies nicht der Fall war. Tatsächlich waren nackte Frauen in gekreuzigter Stellung ans Scheunentor genagelt, 12jährige Mädchen vergewaltigt worden. In Nemmersdorf fand man später insgesamt 62 Frauen und Kinder erschlagen in ihren Wohnungen auf. An den Bildern, auf denen man tote Frauen mit abgerissenen Kleidern in den Straßen und auf Dunghaufen liegen sah, war nichts gestellt."

"Damals, als die Russen kamen, es war ein Dienstag, brannte es an vielen Stellen im Dorf. Als erste wurden die beiden Gespannführer Möhring und Kather, der alte Gärtner Neubert und der Apotheker Wilmar erschossen und auch Frau Lukas von der Klingel."

... In dem Brief steht weiter: "Ein paar Tage später wurde dann Magda Arnheim, Lotte Muss mit Kind und die Oma Muss erschossen und in Schönau fünf Arbeiter vom Gut und die Frau vom Förster Schulz, die aber erst nach acht Tagen starb und sich sehr hat quälen müssen. Der alte Muss hat sich damals erhängt. Im Februar gingen dann die Abtransporte nach dem Ural los. Mein Mann war auch dabei, ebenso der Krugwirt Dreher und seine Tochter Ulla, die beiden Töchter vom Stellmacher Jüngst, Frau Prüschmann, Frau Zimmermann, die vier Marxschen Mädels, Christel und Hertha Hinz und die Tochter vom Schmied. Ich erhielt vor ein paar Monaten durch Karl Marx, der mit ihnen zusammen ging, die Nachricht, daß mein Mann und die meisten anderen im Ural gestorben sind. Sie sehen, wie der Tod in unserem Dörfchen gehaust hat. Zuerst all die Jungens an der Front, und nun die anderen."

Wer nach der Wahrheit, die er bekennt, nicht lebt, ist der gefährlichste Feind der Wahrheit selbst.

Julius Rupp 1809-1884

 
     
     
 
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