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Feier der Leopoldina

 
     
 
In Polen verlaufen universitäre Feierlichkeiten noch glanzvoll. Die Dekane erscheinen in Purpur und Hermelin, und die Studenten singen "Gaudeamus igitur".

Das war auch vom 15.-17. November so, als die Universität Breslau in der barocken Aula Leopoldina (benannt nach dem deutschen Kaiser Leopold I.) im Beisein der Präsidenten Aleksander Kwasniewski und Johannes Rau sowie des österreichischen Senatspräsidenten Ludwig Bieringer ihres 300jährigen wechselvollen Bestehens gedachte.

Von Jesuiten 1702 gegründet, ist die Leopoldina nach Krakau die zweitälteste Universität in der heutigen Republik Polen
. 1810 war sie durch die Verlegung der Viadrina aus Frankfurt/Oder erweitert und zur Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität vereinigt worden. Aus Breslau kamen besonders viele Nobelpreisträger (Theodor Mommsen, Paul Ehrlich, Max Born usw.). Heute sind hier 47 000 Studenten eingeschrieben. Die Universität genießt unter jungen Polen derzeit große Beliebtheit, zumal man sich in Schlesien vergleichsweise hervorragende Berufsmöglichkeiten verspricht - nicht zuletzt dank des regionalen Engagements deutscher Firmen.

Nach dem eigentlichen Festakt in der Aula Leopoldina stand eine Debatte über die "intellektuelle Einheit Europas" auf der Tagesordnung, die die Staatsoberhäupter eher unterhaltsam-plaudernd als trocken-wissenschaftlich angingen. Von zentraler Bedeutung war dabei die Rede des Historikers Fritz Stern, der zum Ehrendoktor ernannt wurde. Als deutscher Jude in Breslau geboren, jedoch früh emigriert, begreift sich Stern heute als Amerikaner. Aus dem Blickwinkel des entfernten Verwandten gelang es ihm, Glanz und Elend von zwei Jahrhunderten mitteleuropäischer Geschichte darzustellen.

Der Referent schlug den Bogen von 1848, als einer seiner Vorfahren im preußischen Breslau wegen liberaler und propolnischer Gesinnung arretiert worden war, zum Epochenjahr 1989, "dem strahlendsten Augenblick in Europas finsterstem Jahrhundert". Er sprach von Mazzinis Traum eines "liberalen Nationalismus" und von der bevorstehenden Vereinigung Europas: "Ein großes Glück für alle. Nie zuvor hat dieses blutgetränkte Land eine so sichere Aussicht auf Frieden gehabt." - Es sind wohl nur die alten Emigranten, die zu einer solchen Emphase fähig sind, die vor allem jüngere Zeitgenossen eher als realitätsblind em-pfinden mögen.

Stern redete in verblüffendem Gleichklang mit dem Publizisten Jan Nowak-Jezioranski. Der legendäre "Kurier aus Warschau" zur Zeit des Weltkriegs ist nach einem halben Jahrhundert soeben in alter Frische aus den USA nach Polen übergesiedelt. Er würdigte die schlesische Metropole mit ihrer jungen Bevölkerung - jeder vierte ist unter 18 - als "unsere Eintrittskarte in die Europäische Union".

Natürlich war auch eine andere große Gruppe von "Emigranten" gekommen: die vertriebenen Deutschen. Als der Hamburger Mediziner Norbert Heisig vor zwei Jahren mit Hilfe des Gelehrtenkalenders 300 in Breslau geborene deutsche Professoren angeschrieben hatte, traten 160 von ihnen sofort der "Deutsch-Polnischen Gesellschaft der Universität Breslau" bei.

Immerhin eine Hundertschaft dieser akademischen Elite Ostdeutschlands war eigens in die Oderstadt gekommen, in der heute Österreichs Glanz und Preußens Gloria in Polens Gegenwart aufgehoben sind. Den meisten war während der Feierlichkeiten die Rührung ins Gesicht geschrieben, und so manche dürften ihren ganz persönlichen Bund mit Breslau weiter vertieft haben. Friedrich Nolop
 
     
     
 
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