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Frankreich: Abschied vom Zentralstaat

 
     
 
Das Jahr 2004 wird möglicherweise ein entscheidendes Jahr in der Geschichte Korsika sein. Denn dann wird das Mutterland Frankreich voraussichtlich eine Verfassungsänderun durchführen – mit weitreichenden Folgen für die Zukunft der unruhige Mittelmeerinsel. Die Regierung Jospin hat nach langwierigen Verhandlungen, die seit de September des letzten Jahres andauern, vorgeschlagen, einen Teil de Gesetzgebungsvollmacht der Pariser Staatsgewalt an die korsische Landesversammlung zu übergeben, sofern denn wieder Ruhe auf der Mittelmeerinsel einkehrt. Dem hat die Landesversammlung fast einstimmig zugestimmt. Das Ganze wurde im Juli beschlossen un beschäftigte bislang nur die politischen Kreise und die Presse. Der französisch Durchschnittsbürger
kümmert sich zu dieser Jahreszeit eher um seine Ferien als u "große" Politik. Das Echo in der französischen Öffentlichkeit ist denn auc eher zurückhaltend bis skeptisch. Daß die Regelung dauerhaften Frieden bringt, glaub fast die Hälfte der französischen Bevölkerung nicht.

Zunächst sollen laut Jospins Stufenplan die gesetzgeberischen Beschlüsse de korsischen Landesversammlung durch ein Mantelgesetz der Pariser Nationalversammlung un des Senats von Fall zu Fall gutgeheißen werden, und zwar bis zur Änderung der Verfassun der Fünften Republik. Danach würde Korsika, wenn das französische Volk durc Volksentscheid oder seine parlamentarische Vertretung das Verfassungspaket billigt, in ei autonomes Gebiet der Republik umgewandelt werden. Ähnliche Autonomie-Regelungen gelte bereits in den Überseegebieten der Republik. Im Einheitsstaat Frankreich wird dies Entwicklung von vielen mit gemischten Gefühlen gesehen.

Angesichts dessen haben Gegner des Vorhabens Jospins den Staatschef Jacques Chira aufgefordert, sein "schweres Schweigen zu brechen". Viel spekuliert wird in Paris über die politische Lage des Innenministers Jean-Pierre Chevènement, der Ende Jul angekündigt hat, er werde ein entsprechendes nationales Gesetz nicht vor de Nationalversammlung verteidigen. Im September ist eine Debatte vor diesem Gremiu vorgesehen. Andere Minister, die zu den Vertrauten Mitterrands zählten, wären auch gege das Vorhaben, insbesondere der Außenminister Hubert Védrine. Im Falle einer Autonomi Korsikas sehen Beobachter voraus, daß die Lage Frankreichs im Mittelmeerraum schwierige werden wird.

Die korsischen Nationalisten verbergen nicht ihre Zufriedenheit, fügen aber hinzu, die gesetzgeberische Autonomie der Insel sei lediglich der erste Schritt in Richtun vollständiger Unabhängigkeit von Paris. Die öffentlichen Meinungsäußerungen de Pariser politischen Klasse sind allerdings eher innenpolitisch begründet als sachlic fundiert. Insgesamt geht die Debatte quer durch alle politischen Lager und belegt die Spaltung in Frankreich zwischen "Föderalisten" (die meisten Sozialisten und die Zentristen) und "Souveränisten", die neue Benennung der Jakobiner, die die Beibehaltung des bisherigen Zentralstaats wünschen.

Obwohl die konservative Zeitung "Figaro" in einem Leitartikel "eine republikanischen Vertrag" in Frankreich befürwortet, gilt es als sicher, daß die Entwicklung in Korsika auch in anderen französischen Provinzen Prozesse in Gang setze wird. Auch die Elsässer, die Basken und die Bretonen haben sich nun zu Wort gemeldet. Die Reform des Korsika-Statuts im Jahre 2002 wird wohl zu einer grundlegende Verfassungsänderung führen, die eine Dezentralisierung Frankreichs mit Blick au "Europa" zur Folge haben könnte.

Francisco Lozaga


 
     
     
 
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