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Mal für was sein und nicht immer nur dagegen

 
     
 
Vier "junge" Leute und ein Moderator diskutieren im Hamburger Regionalsender "Hamburg 1" in der Sendung "Schalthoff" über die Politik und die Ziele der vier etablierten westdeutschen Parteien in der Hansestadt. Die Befragten sind die jeweiligen Landesvorsitzenden der Jugendorganisationen "Junge Union
", "Jusos", "Junge Liberale" und "Grüne Jugend".

Sollte sich ein jugendlicher Fernsehzuschauer beim Zappen auf diesen Sender verirrt haben, so dürfte der Anblick - zu Hören gibt es nur vereinzelt Verwertbares - der vier politischen Vertreter ihrer Altersgruppe kaum einen für ein politisches Engagement begeistern. Typisches "Establishment" wird da von Seiten der CDU und SPD geboten. Nicht unbegründet weist der Moderator den "Juso"-Vorsitzenden darauf hin, daß die Hamburger SPD als noch konservativer gilt als die CDU. Die Jugendvertreter dieser beiden Parteien tragen altbackene Jackets und wirken alles andere als "cool". Der "junge Mann" von der CDU sieht zudem ziemlich alt aus, das 30. Lebensjahr hat er mindestens überschritten, Sport scheint ihm ein Fremdwort zu sein, und auch sonst entspricht er dem im Trend liegenden Vorurteil, daß sich nur junge Leute für Politik interessieren, die niemanden anderen zum Spielen haben.

Das Mädel von der "Grünen Jugend" dürfte da schon eher auf Jugendliche wirken, in ihrem pflaumenfarbenen Shirt mit V-Ausschnitt, ihren glatten braunen Haaren und ihrem scheuen Rehblick fällt die Identifikation mit ihr leichter. Bedauerlicherweise offenbart sie schnell, daß sie nur in einem kompetent ist: Fragen auszuweichen.

Am jugendlichsten ist der "junge Liberale". Weite, grüne Hose, schwarzes Hemd, gegelte Haare und ein flotter Spruch auf den Lippen.

Nur wenig später: Wer in Hamburg ein Treffen der "Jungen Liberalen" (Julis) besucht, wird nicht gerade wegen Massenandrangs keinen Sitzplatz finden. Es ist Montag, die Versammlung wurde erst fünf Tage vorher im Internet angekündigt, was ein Grund dafür sein dürfte, daß nur der Landesvorsitzende und sein Stellvertreter anwesend sind.

Die beiden lässig modern gekleideten jungen Männer, Jahrgang 1979 und 1982, machen sich trotzdem gleich an ihr Tagwerk, obwohl von vornherein klar ist, daß man Mangels Teilnehmern beschlußunfähig sein wird. Doch die Motivation ist ungebrochen.

"Ostdeutsche Ampelmännchen kostenneutral in Hamburg einführen", fordert Robert Bläsing. Der Blick seines älteren Partei-Kollegen verrät Ablehnung, doch der Jüngere ist voll in seinem Element, streicht die Vorteile von ostdeutschen Ampelmännchen hervor wie bessere Kenntlichkeit für Farbenblinde und Hilfe zur "Integration von Zuwanderern mit mitteldeutschem Migrationshintergrund" und meint damit auch sich selber. Er ist erst vor einigen Jahren aus den neuen Bundesländern nach Hamburg gezogen, bei den "Julis" ist er erst seitdem die Mutterpartei, der er ebenfalls angehört, in der Hamburger Bürgerschaft nach dem Skandal um den bundesweit bekannten Ronald Schill 2004 nichts mehr zu sagen hat. Trotzdem ist der junge Beamte sehr engagiert dabei, auch wenn sein Tun - selbst wenn an diesem Tag mehr Teilnehmer da wären - im Nichts verraucht.

Alles, was die Hamburger Julis beschließen, wird an die FDP weitergereicht, die darüber berät, ob sie es sich zu eigen macht oder nicht. Selbst wenn das der Fall ist, ändert sich nichts, da die FDP sich in Hamburg in der Opposition, sogar außerhalb der Bürgerschaft, befindet. Sie kann es sich nur vornehmen, durchzusetzen für den Fall, daß sie bei den nächsten Wahlen wieder mit dabei ist.

Vielleicht erlaubt sich Robert Bläsing gerade deswegen die Ampelmännchen, da es eh alles für die Tonne ist und man die bescheidene Lage ja irgendwie verarbeiten muß.

Während der eine noch über die Tatsache sinniert, daß wenn er sich jetzt nicht solche postpubertären Anwandlungen leiste, dann nie, blättert sein Landesvorsitzender in seinen Anträgen. "FDP Hamburg erneut zur Abschaffung des Kammerzwangs auffordern", heißt es da oder "Apothekermarkt liberalisieren". Tobias Nesemann spricht seiner Tätigkeit keineswegs den Spaßfaktor ab, doch er tendiert dazu, daß auch ernste Dinge Spaß machen können. Der ehemalige Polizist, der jetzt mit einem Stipendium Steuerrecht studiert, hängt lässig über zwei Stühle gelümmelt und erläutert den Hintergrund seiner Anliegen. Er ist in seinem Thema drin, von seinem Anliegen absolut überzeugt und aufgeschoben ist für ihn nicht aufgehoben. Politik ist ein zähes und langwieriges Geschäft, und das Spiel ist er bereit, für seine Überzeugungen zu spielen.

Beim Entwurf für einen hamburgweit ausgeschriebenen Plakatwettbewerb unter dem Motto "Mir doch nicht egal - eine Initiative für uns" ist Robert Bläsing wieder mit vollem Elan dabei. Schon die Formulierung läßt ahnen, daß die Hansestadt wieder so ein linkes "gegen alles böse"-Motiv wünscht. Das regt den 24jährigen auf. Er hat es satt, daß immer wenn es "gegen" etwas geht, die Leute dabei sind, Lichterketten gegen rechte Gewalt oder Menschenketten "gegen" Castor, doch wann gehen die Leute mal "für" etwas auf die Straße? Die Antwort ist Schweigen.

Abgesehen von ihrem Engagement, der Tatsache, daß sie Visionen haben, und ihrer liberalen politischen Orientierung scheint die beiden jungen Männer jedoch nicht viel zu einen. Tobias ist bekennender Europäer, glaubt daran, daß es eines Tages eine Weltsprache geben wird, Nationengrenzen verschwinden, Robert sieht sich als Preuße, war mit seiner Großmutter schon in deren masurischen Heimat.

Eigentlich bieten zumindest diese beiden Julis verschiedenen Jugendlichen Identifikationsmöglichkeiten, doch wer weiß überhaupt, daß es sie gibt, und wer hat Lust, seine Zeit statt mit Computerspielen, Fernsehen, Sport, Shoppen, Freunde treffen und Musik hören mit anstrengenden, aufreibenden Diskussionen zu verbringen, die in den häufigsten Fällen zu nichts führen?

 

Die Parteien sind "unterjüngt"

Eigentlich meiden Politiker Veränderungen, da sie die Wählergunst verlieren könnten, jetzt haben sie sie allerdings verloren, gerade weil sie nichts grundlegend geändert haben. Zahlreiche Meinungsforschungsinstitute verweisen darauf, daß die beiden einstigen Volksparteien CDU und SPD gerade einmal je 30 Prozent Zustimmung erhalten. Und auch die Zahl der Parteimitglieder wird immer übersichtlicher. Von einst gut einer Million Mitglieder gibt die SPD an, nur noch 567925 zu haben; der CDU gehören 561070 Personen an. Dies liegt allerdings nicht nur daran, daß sich immer mehr Menschen von den Parteien abwenden und austreten, sondern auch an der Tatsache, daß vor allem den großen Parteien die Mitglieder wegsterben und keine neuen nachkommen.

Die SPD sei "unterjüngt", wie es Generalsekretär Hubertus Heil positiv auszudrücken versuchte. Das Durchschnittsalter bei den Unions- und SPD-Mitgliedern soll bei knapp 60 Jahren liegen, da ist es nur natürlich, daß von den älteren und vor allem über Jahrzehnte treuen Anhängern einige altersbedingt sterben. Alle Parteien haben zwar Nachwuchsorganisationen, doch keine kann die Jugend von heute übergreifend für sich einnehmen. Das Image von einem Parteiengagement schreckt selbst die wenigen politisch Interessierten ab, der Rest kümmert sich sowieso um ganz andere Dinge als um Demokratie und Politik. Zwar sind im Bundestag auch einige Abgeordnete unter 30 Jahren vertreten, doch meistens handelt es sich hier um "altgediente" Mitglieder der Jugendorganisationen, die in dem eben wenig frequentierten Parteiensystem aufgrund eines Mangels an Konkurrenz schnell nach oben gerutscht sind.

Foto: "Die Zukunft der Jugend hängt am seidenen Faden": Eine Aktion der Julis

 

Sie wollen in der Politik mitmischen
Die Jugendorganisationen der vier großen bundesdeutschen Parteien stellen sich vor

Junge Liberale - www.julis.de - 10000 Mitglieder

"Wir sind die liberale Jugendorganisation in Deutschland. Wir wollen Politik und Zeitgeschehen mitgestalten. Dabei sind Freiheit, Eigenverantwortung, Individualität und Toleranz Richtschnur für unser Handeln. Unser Leitbild ist der freie, selbst bestimmt handelnde Mensch, der für sich und andere Verantwortung übernimmt. Er vertraut in erster Linie auf seine eigene Kraft und nicht auf den Staat. Er lebt nach seinem eigenen Lebensentwurf und nicht nach den Vorgaben anderer.

Mit 10000 Mitgliedern sind wir fast überall präsent. Jeder, der zwischen 14 und 35 Jahre alt ist, kann bei uns mitmachen. Auf geht s! Du bist gefragt."

Johannes Vogel, Bundesvorsitzender

 

Junge Union - www.junge-union.de - 130000 Mitglieder

"In der ,Jungen Union aktiv sein heißt: die eigene Zukunft in die Hand zu nehmen, weil wir lieber handeln als behandelt werden, weil es Spaß macht, mit Freundinnen und Freunden zusammenzuarbeiten, politische Ideen zu entwickeln und für ihre Durchsetzung zu streiten. Das ist Arbeit. Klar. Politische Bildung gehört dazu ... Wir haben Grundsätze, gehen von einem christlich geprägten Menschenbild aus, treten für den freiheitlichen Rechtsstaat ein, wollen die soziale und ökologische Marktwirtschaft. Und wir sind offen für Zukunftsfragen, suchen das Gespräch auch mit Andersdenkenden Die Politik der ,Jungen Union beruht auf der Achtung des Menschen als ... Persönlichkeit mit unantastbarer Würde."

Philipp Mißfelder, Bundesvorsitzender

 

Jusos - www.jusos.de - 70000 (alle SPD-Mitglieder unter 35 Jahren gelten auch als Jusos)

"Wir Jusos sind die Jugendorganisation der SPD. Damit haben wir nach dem Regierungswechsel im Jahr 1998 auch eine besondere Verantwortung. Für viele sind wir AnsprechpartnerInnen, wenn es darum geht, die Anliegen der jungen Generation an die Regierungspartei SPD heranzutragen ... Wir glauben nicht an die Allmacht der Parlamente und Regierungen. Wichtig sind der gesellschaftliche Druck und das gesellschaftliche Engagement in den Schulen, Hochschulen, den Betrieben und auf der Straße. Demokratie muß lebendig sein. Deshalb engagieren wir uns bei den Jusos ... Es gilt, unser Jahrhundert neu zu gestalten. Hierzu wollen wir als Jusos einen Beitrag leisten."

Björn Böhning, Bundesvorsitzender

 

Grüne Jugend - www.gruene-jugend.de - 6500 Mitglieder

"Verantwortung zu übernehmen und Spaß zu haben schließt sich bei uns nicht aus ... Neue Ideen bringen Schwung in verkrustete Strukturen. Gerade wir als junge Menschen sind gefragt, uns in politische Prozesse einzubringen ... Politische Verhältnisse sind kein Betonklotz, an dem mensch nichts ändern kann! Rummeckern bringt nix, wir müssen selber was starten, wenn wir etwas verändern wollen! Politisches Engagement hat kein Mindestalter. Es liegt an uns, ob wir die Gestaltung unserer Zukunft grauen Eminenzen überlassen ... Wir sind ökologisch, sozial, globalisierungskritisch, basisdemokratisch, emanzipiert, antirassistisch, international und gewaltfrei."

Paula Riester und Jan Philipp Albrecht, Sprecher
 
     
     
 
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