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Reformen - nur nach Katastrophen?

 
     
 
Eigeninitiative, Entschlossenheit, Tatkraft und Mut: Mit diesen Eigenschaften haben unsere Eltern Deutschland nach dem Krieg erfolgreich aufgebaut. Sie haben zu arbeiten angefangen - da, wo es etwas zu tun gab! Darauf müssen wir uns besinnen!

Wir dürfen uns keinen Sand in die Augen streuen lassen: Die Leistungsbereitschaft der Deutschen ist einer bedrohlichen Versorgungsmentalität gewichen.

Die Fehlentwicklungen, die wir heute beklagen, haben Ende der 60er Jahre
begonnen. Sie finden eine wesentliche Ursache in den verschobenen Wertvorstellungen seit jener Zeit ...

Die sogenannten "Reformen" waren in Wahrheit Heuchelei - "Volksbeglückung" durch Gleichmacherei. Der Grundgedanke des Sozialstaates, Hilfe für wirklich Hilfsbedürftige, wurde zu einer Farce und ausgehöhlt. Jeder dachte und denkt gegenwärtig an staatliche Leistungen und nutzt seine Ansprüche aus.

Die Saat der 68er - und die Vollkasko-Mentalität der Sozialdemokraten - ist voll aufgegangen. Es ist doch kein Zufall, daß der Beginn des schleichenden Abstieges mit dem Aufstieg der 68er zur Macht zusammenfällt. Mit ihren Utopien haben sie die Axt an die Grundwerte unseres Gemeinwesens und an christlich-bürgerliche Tugenden gelegt: Leistung, Erziehung, Verantwortung, Gemeinsinn - fast alles wurde verteufelt oder auf den Kopf gestellt. Elite galt als demokratiefeindlich. "Macht kaputt, was euch kaputt macht" war das Motto.

Die 68er haben in nahezu allen Lebensbereichen die Achse verbogen, weg von der Familie hin zur Selbstverwirklichung, weg von der Eigenleistung hin zur staatlichen Umsorgung, weg von der Verantwortung für das Gemeinwesen hin zum Gruppenegoismus, weg von der Erziehung hin zum repressionsfreien Aufwachsen ...

Lassen sie mich an eine Katastrophe in Deutschland erinnern, und den sich daraus ergebenden Wiederaufstieg Preußens - ich meine die Stein-Hardenbergschen Reformen nach der vernichtenden Niederlage 1806 gegen Napoleon.

Die materielle Situation und die Finanznot in Preußen zwangen zu grundlegenden Reformen - auch Skeptiker und beharrende Konservative. Es ging um die Freisetzung der Gesellschaft und die Mobilisierung der Nation. Eigentum, Freiheit und Verantwortung waren die Prinzipien, die als eine Einheit gedacht waren.

Hardenberg faßte die wesentlichen Reformgedanken in der "Rigaer Denkschrift 1807" zusammen, die er mit wenigen Mitstreitern innerhalb von zwei Monaten erarbeitet hatte. Sie verordneten damit dem preußischen Staat eine Radikalkur: die "Überführung eines ständisch gefesselten Gesellschaftssystems in einen modernen Staat". Hierzu zählten die Bauernbefreiung, Abschaffung der Adelsprivilegien und Einführung der kommunalen Selbstverwaltung ebenso wie die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ("Jeder Bürger ist der geborene Verteidiger seines Vaterlandes" / Scharnhorst), Abschaffung der Prügelstrafe und Reform des Schul- und Hochschulwesens.

Das waren dramatische, aber notwendige Veränderungen, aus Not und Einsicht geboren. Sie wurden von den Reformern in kurzer Zeit umgesetzt, später von der Restauration zum Teil wieder kassiert - aber dennoch geben sie uns Hinweise: Aufbrechen der Verkrustungen, Gerechtigkeit gegen jedermann, Hinterfragen der unterschiedlichsten Einflußgruppen, mehr Bekenntnis zu Freiheit und Eigen- verantwortung, Über- prüfen und Weiterentwickeln unseres Bildungssystems.

Diese Reformen gab es nach Katastrophen - sind wir in der Demokratie ohne Katastrophen überhaupt reformfähig? Ja, wer dann, wenn nicht die Demokratie! In monarchischen oder totalitären Systemen werden Reformen von "oben" oder durch Revolutionen von "unten" angestoßen. In der Demokratie muß politische Führung die Bürger mitnehmen oder nach getroffenen Entscheidungen überzeugen.

Lassen Sie mich sieben Themenfelder nennen.

Erstens: Wir brauchen eine "Renaissance" bürgerlicher Werte. Dabei steht vornan, daß Verlustängste überwunden werden und dem einzelnen persönliche Freiheit und Eigenverantwortung eine Richtschnur im Leben sind.

Zwischen individueller Freiheit und staatlicher Regelung muß umgehend wieder die Balance hergestellt werden. Der Staat und seine Bürokratie legen heute Regelungen fest, wo die Verantwortung des einzelnen möglich ist. Anstelle von Intervention brauchen wir Wettbewerb, anstelle von Regulierung Flexibilität, anstelle von Bürokratie Freiräume für individuelle Entscheidungen.

Unser Menschenbild des freien, verantwortungsbewußten Bürgers sollte unser Maßstab sein - an ihm ist zu messen, was er selbstverantwortlich entscheiden kann und was der Staat leisten muß. Der Grundgedanke ist einfach und klar: Die staatliche Umklammerung des einzelnen muß verringert werden.

Wenn der Staat beispielsweise - wie früher in der DDR - alle Entscheidungen trifft und Regelungen vorgibt, raubt er den Bürgern nicht nur die Eigenverantwortung, sondern auch die Entscheidungsfreiheit und die Möglichkeit, seine Fähigkeiten wahrzunehmen.

Wir müssen die staatliche Umsorgung überall dort abbauen, wo der einzelne für sich selbst sorgen kann. Das steigert seine persönliche Unabhängigkeit, sein Selbstvertrauen und auch sein "Glücksgefühl", wie es in der amerikanischen Verfassung als "pursuit of happiness" beschrieben ist. Hierzu gehört zwangsläufig, daß unsere Bürger die Chance haben müssen, in ihrem Berufsleben Eigentum zu bilden. Freiheit, Eigenverantwortung und Eigentum stehen im gleichen Sinn- zusammenhang. Das Streben nach Eigentum und Besitz und die Freude daran ist ein Wesensmerkmal des Menschen.

In diesem Zusammenhang ist es ein Muß, daß Steuerquote und Lohnnebenkosten gesenkt werden. Bei weniger Einnahmen kann der Staat weniger Aufgaben wahrnehmen, er ist auf seine Kernkompetenzen begrenzt, und die Sozialgesetze müssen dahingehend verändert werden, daß sie dem Bild und der Vorstellung vom freien, mündigen Bürger entsprechen.

Der einzelne muß sich bewußt sein, daß er für die Risiken einzutreten hat, die er aus eigenem Entschluß eingeht. Der einzelne gestaltet sein Leben verantwortlich - nicht der Staat bestimmt über ihn und seine Lebensgestaltung. Jeder hat auch eine "Holpflicht" zum Beispiel bei seiner eigenen Ausbildung. Wer nicht bereit ist, zu lernen und die mit der Ausbildung verbundenen Anforderungen anzunehmen, darf sich nicht über geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt beklagen. Dem Staat obliegt natürlich die Bringpflicht bezüglich der Vielfalt der Schulen beziehungsweise Ausbildungsstätten.

Freiheit und Verantwortung sind untrennbar miteinander verbunden. Nur mit Übernahme von Verantwortung für sich und die Gemeinschaft verwirklicht sich Freiheit. Mit diesem sich bedingenden Freiheits- und Verantwortungsverständnis müssen zweitens eine familienpolitische Vision und die Revitalisierung der Familie einhergehen.

Deutschland hat eine der niedrigsten Geburtenraten in der Europäischen Union. Die Konsequenzen sind dramatisch. Wenn wir nicht gegensteuern, wird die Bevölkerung in Deutschland bis zum Jahre 2050 auf 58 Millionen schrumpfen. Das Verhältnis Erwerbstätige zu Rentnern wird sich auf zwei zu eins verschlechtern.

Wir müssen umsteuern. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wir dürfen nicht vor niedrigen Geburtenraten kapitulieren oder sie als gegeben hinnehmen. Wir wollen nicht, daß der Staat bestimmt - wie in China -, ob und wie viele Kinder auf die Welt kommen. Für die Gemeinschaft und ein Alter in Würde ist ein ausgeglichenes zahlenmäßiges Verhältnis zwischen Jüngeren und Älteren wichtig.

Wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir ein besseres Umfeld fürs Kinderkriegen und Erziehen in Deutschland schaffen. Steigerung der Geburtenrate: Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen. Ein Gemeinwesen, das glaubt, auf Kinder verzichten zu können, verliert seine Zukunfts- und Innovationsfähigkeit. Es gibt keine Zukunft ohne Kinder!

Das Grundgesetz stellt die Familie unter seinen besonderen Schutz. Und nicht von ungefähr haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes auch formuliert: "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht." Die Erziehung der Kinder darf nicht an den Staat delegiert werden, aber die Eltern, die ihrem Beruf nachgehen wollen, müssen die Chance bekommen, für ihre Kinder eine Betreuungsmöglichkeit zu erhalten - das muß nicht die propagierte staatliche Kita sein. Mit einem Erziehungsgeld könnte man zum Beispiel den Eltern die individuelle Entscheidung ermöglichen.

Wir müssen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen. Keiner will die "Frauen zurück an den Herd". Aber es dürfen nicht diejenigen verunglimpft werden, die ihren Platz als Hausfrau und Mutter zu Hause sehen und den Familien auf diese Weise dienen.

Wir sollten uns wieder ganz bewußt zur Familie bekennen. Durch die Anerkennung der Arbeit der Hausfrau und Mutter sollte dieser wichtigen Leistung ein neuer Wert gegeben werden. Auch auf die Gefahr hin, daß die Emanzipations- bewegung laut aufschreit: Kinder lernen die Muttersprache - nicht die "Kita-Sprache"!

Wir brauchen drittens ein neues Sozialstaatsverständnis, das die bisherigen Erfahrungen berücksichtigt. Roman Herzog hat völlig recht, wenn er sagt: "Der übertriebene Staat gründet auf einer Lüge: Angeblich hilft er den Menschen, aber in Wirklichkeit macht er sie abhängig von der Versorgung und erstickt ihre Antriebskräfte."

Der Sozialstaat ist für Notlagen da und nicht für "Dolce vita". Sozialhilfe und Rentenauszahlung nach Florida oder der Tauchkurs auf Capri für den schwer erziehbaren Jugendlichen führen den Sozialstaatsgedanken ad absurdum.

Es darf künftig nicht mehr heißen: Was bekomme ich? Was können andere für mich tun? - Sondern wir müssen fragen: Was kann ich selbst tun? Wie kann ich mich selbst einbringen? Auch der Empfänger von Hilfe kann anderen helfen und dem Gemeinwesen dienlich sein - das Gemeinwesen hilft ihm und er dankt es - welch altmodischer Begriff - durch die Gemeinleistung, zu der er fähig ist. So verstandene Hilfe ist kein Almosen!

Viertens: Wohlstand fällt nicht wie eine gebratene Taube in den Mund. Jede Generation muß sich ihren Wohlstand wieder neu erarbeiten. In Deutschland sollten wir uns bewußt werden, daß bis 2010 rund zwei Billionen Euro vererbt werden. "Was Du ererbst von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen", sagt ein Klassiker.

Ist es wirklich unser Bestreben, als größter Freizeitpark in das Guinness-Buch der Rekorde einzugehen? Die Mitarbeiter eines mittelständischen Sägenherstellers zum Beispiel arbeiten in Deutschland jährlich 1.500 Stunden. Ihre Kollegen im Schweizer Werk 1.842 Stunden und in China fast 2.000 Stunden. Ist die Schweiz etwa ein unsoziales Land?!

Das Arbeitseintrittsalter beginnt zu spät. So liegt das mittlere Alter von Hochschulabsolventen in Irland, Japan, Österreich und Großbritannien bei 23 Jahren - in Deutschland bei 26 Jahren.

Fünftens: Lassen wir keine neuen Neiddebatten zu. Zur Freiheit gehört der Unterschied, die Ungleichheit. Noch scheint vielen Bürgern in Deutschland die Gleichheit aller wichtiger zu sein.

Diese Gleichheit aller - die nach wie vor von "links" propagiert wird - erweist sich als Utopie hinsichtlich der menschlichen Unterschiede in Charakter, Wesen, Bedürfnissen. Schon die menschlichen Grundbedürfnisse in der Familie erfahren wir als grundverschieden. Schon bei unseren kleinen Kindern bemerken wir ganz unterschiedliche Verhaltensweisen und Reaktionen.

Wer die Gleichmäßigkeit aller will, schafft dies durch staatliche Bevormundung und Unfreiheit. Genau das wollen wir nicht! Es geht um Chancengerechtigkeit für alle - sie ist keine Chancengleichheit, weil die Menschen unterschiedlich sind.

Sechstens: Der "Konsensföderalismus" hat uns in eine Sackgasse geführt. Wir müssen das föderale System vom Kopf wieder auf die Füße stellen. Konsens ist die harmonischste Art des Stillstands. Reformen werden verwässert oder kommen gar nicht erst zustande. Deshalb ist die Reform des föderalen Systems in Deutschland so wichtig.

Siebtens: Ein rohstoffarmes Hochlohnland wie Deutschland muß auf seine Köpfe setzen. Wir müssen Bildung, Innovation und Leistung fördern! Sie sind die Grundlagen für Wohlstand und Beschäftigung.

Schule wurde in Deutschland zu lange "ausprobiert" und die Kinder als "Versuchskaninchen" gesehen. Die SPD-regierten Länder jagten jede Schülergeneration durch einen neuen Schulversuch.

Es war die hessische SPD, die Anfang der 70er Jahre so elementare Dinge wie das Erlernen der deutschen Rechtschreibung als "sekundär" abgetan hatte ... Das Ergebnis: Viele Schüler scheitern bei ihren Bewerbungen an Grundanforderungen im Lesen, Schreiben und Rechnen.

Die Skepsis gegenüber dem Wettbewerb und dem Leistungsprinzip, das Erheben der Gleichmacherei zum gesellschaftspolitischen Leitbild - so wurde genau jenes Gleichmaß produziert, an dem wir heute leiden. Die 68er lassen grüßen.

Lassen Sie mich mit einem Appell Alfred Herrhausens schließen: "Wir müssen das, was wir denken, sagen. Wir müssen das, was wir sagen, tun. Wir müssen das, was wir tun, dann auch sein." Jeder von uns an seinem Platz, wenn er es ernst meint mit unserem Vaterland und der Zukunft unserer Jugend.

Freiheit, Eigentum und Verantwortung wurden als Einheit gedacht

Deutschland muss wieder auf seine Köpfe setzen

Ein Politiker, der Klartext redet: Jörg Schönbohm, General a. D. und heute Innenminister des Landes Brandenburg, wurde vom Bund der Selbständigen, wie berichtet, mit dem Mittelstandspreis ausgezeichnet - wir dokumentieren Auszüge aus seiner Dankesrede Foto: Innenministerium Brandenburg
 
     
     
 
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