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Peter Rosegger: Das ganze Deutschland sollte es sein

 
     
 
In österreichischen Landen ist er nach wie vor ein Mythos, im kühleren und fortschrittsgläubigeren Deutschland wird ihm eher Antiquiertheit und nur bedingte Lesbarkeit bescheinigt. Die Rede ist von dem am 31. Juli 1843 im steirischen Gebirgsdorf Alpl geborenen Dichter und Schriftsteller Peter Rosegger. Er begann als Hirtenjunge und Schneidergeselle, hatte jedoch am Ende seines Lebens und letztlich als Autodidakt ein beachtliches Oeuvre von 18 500 Seiten mit Gedichten, Erzählungen und Romanen vorzuweisen.

Der mit einer gütigen und stets der Musik der Natur zugetanen Wesensart ausgestattete Steirer war gewissermaßen ein Hans im Glück, der aus seinem Bergdorf und den ärmlichen Verhältnissen des Elternhauses auszog, um eben dieses Glück in der Literat
ur zu finden. In Graz besuchte er die Handelsakademie, fand Freunde und Gönner und spürte, daß das Schreiben sein eigentliches Lebenselexier bedeutete. Sein Weg war abgesteckt.

Antrieb dazu war und blieb immer jener Heimat genannte Mikrokosmos im steirischen Land. Er transformierte die Sprache seines Volkes in hochdeutsche Form, verlor aber darüber weder die Urwüchsigkeit noch die ausdrucksstarke Schlichtheit ihrer Worte. Daraus entstanden außer zauberhaften Gedichten meisterlich komponierte Romane wie "Die Schriften des Waldschulmeisters", "Jakob der Letzte" oder die Geschichtensammlung "Als ich noch der Waldbauernbub war". Zu spüren ist darin allerdings auch seine Trauer darüber, daß er sein Heimatdorf aus eigenen Stücken verließ.

Die Literaturhistorie hat Rosegger oft ein erzählendes Naturtalent genannt. Diese richtige Erkenntnis mag die eine oder andere kleine Ungereimtheit und an einigen wenigen Stellen Schablonenhaftes in Roseggers Ansichten und Werk vergessen machen. Schließlich besteht der großartige Wurf des Steirers eben vor allem darin, daß er den erzählten Mikrokosmos Heimat so gestaltet, daß er dem Makrokosmos gleichzusetzen ist. Dergestalt gelungene Absicht hat, mit Verlaub gesagt, durchaus Anspruch darauf, als Weltliteratur zu gelten, die den so oft und zumeist abschätzig gebrauchten Begriff Heimatdichter in einem ganz anderen Licht erscheinen läßt.

Die Themen in der vermeintlich kleinen Welt des Peter Roseggers, der seit Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts als freier Schriftsteller wirken konnte, waren vielfältig. Vor allem, und dies schuf ihm seinen beachtlichen Leserkreis, verwies er angesichts der damaligen rasanten Industrialisierung sowie der sprunghaft wachsenden Stadtbevölkerungen auf die dadurch entstandene Landflucht mit ihren verheerenden Folgen. Wenn man so will, war Rosegger ein ebenso liebenswerter wie kämpferischer Vorläufer mancher ökologischer Warner unserer Tage. Gleichzeitig aber, das gilt es festzuhalten, begrüßte Rosegger technischen Fortschritt dort, wo er den Menschen wirkliche Hilfe ohne gedankenlose Naturzerstörung brachte.

Ein anderes Gedankenfeld hat den steirischen Erzählkünstler gleichfalls zeitlebens beschäftigt. Die Frage nach Gott. Daraus erwuchs sein Roman "Der Gottsucher", aber auch sein Eintreten für die Loslösung der katholischen Kirche von Rom. Rosegger blieb zwar Katholik, plädierte aber eindringlich für eine geläuterte Ökumene der Konfessionen.

Verschwiegen wird indes gern, daß der Dichter und Schriftsteller im besten Sinne des Wortes eine liberale und nationale Persönlichkeit war. Die Schlacht von Königgrätz im Jahre 1886, die den Ausschluß Österreichs aus dem Deutschen Bund bewirkte, war für den jungen Rosegger ein traumatisches Ereignis. "Daß die Steiermark etwas anderes als einer der schönsten Teile des Deutschen Reiches sein könnte, das war ihm (bisher) nicht in den Sinn gekommen", heißt es in der jüngsten Rosegger-Biographie der Österreicherin Eva Philippoff. Roseggers Ansichten aus der Jünglingszeit machten auch und vor allem die Grundlage für sein stets strenges altdeutsches Bekenntnis aus. Er hat die (kleindeutsche) Reichsgründung vier Jahre nach Königgrätz mit Vehemenz begrüßt – und den Traum von einer österreichischen Dynastietreue innerhalb einer großdeutschen Lösung nie aufgegeben. Zumindest in diesem Punkt sorgt der Mythos Rosegger in Österreich für einige Irritationen, bis auf den heutigen Tag. Konrad Rost-Gaudenz

 
     
     
 
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