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          Seit dem vergangenen Wochenende wird in Berlin plakatiert, was der Kleister  hergibt. Die Stadt ist im Wahlkampf, und die   portraitiert die Spitzenkandidaten der Parteien, angefangen mit Harald Wolf  (Linke/PDS):
   Er rückt sich die Brille zurecht. Er kratzt sich nervös an der Stirn, dann  legt er die Hände wieder in den Schoß. Harald Wolf fühlt sich sichtlich unwohl. 
   Kein Wunder. Schließlich ist er seit einigen Tagen Spitzenkandidat der  Linkspartei und sitzt jetzt im lichtdurchfluteten Innenhof    der  Hauptstadtrepräsentanz der "Deutschen Bank". Beim Klassenfeind also. Harald Wolf  wirkt hier so deplaziert wie Josef Ackermann als Festredner bei einer  Arbeitsloseninitiative. 
   Wolf war schon immer ein Grenzgänger. Geboren in Offenbach, aufgewachsen in  Hanau, also ein Westdeutscher bitteschön. Studiert hat er in Bochum. Sein  politisches Engagement begann er unter dem Dach der linksextremen "Vereinigten  Sozialisten Partei". Anfang der 80er Jahre zog es ihn nach Berlin, damals ein  Zufluchtsort, der vor dem Grundwehrdienst schützte. 
   In diesem Milieu absolvierte Wolf die typische Karriere eines Politologen:  Student, Hilfskraft, Wissenschaftlicher Mitarbeiter - anschließend  Arbeitslosigkeit und Mitgliedschaft bei den Grünen (damals in Berlin noch  "Alternative Liste", AL). 
   Dort stieg er schnell auf. Den rot-grünen Momper-Senat (1989-91) hat er mit  ausgehandelt. Doch noch bevor dieser Senat in die Brüche ging, verließ Wolf die  AL wieder und ging zur PDS. 
   Wolf erklomm 1995 den Posten des Fraktionsvorsitzenden im Berliner  Abgeordnetenhaus. Sechs Jahre später handelten drei Fraktionsvorsitzende, deren  Nachnamen mit "W" beginnen, den Sturz des Diepgen-Senats von CDU und SPD aus:  Wowereit (SPD), Wieland (B90/Grüne) und eben Wolf (PDS). Der Wechsel, der Berlin  am Ende eine rot-rote Regierung verschaffen sollte, war perfekt.
   Seinen früheren Dreitagebart hat er abgelegt, als er die Nachfolge von Gregor  Gysi als Berliner Wirtschaftssenator angetreten hat, antreten mußte: Gysi hatte  2002 schnell bemerkt, wie sehr ihm diese undankbare Aufgabe über den Kopf wuchs,  und sie unter einem fadenscheinigen Vorwand seinen Genossen vor die Füße  geworfen. Wolf ist ganz anders, disziplinierter. Nüchtern, sachlich, pragmatisch  - fast so, als wäre er FDP-Wirtschaftssenator. Berlins SPD-Chef Michael Müller  hat Wolf neulich sogar "vorgeworfen", er sei zu "FDP-nah". 
   Beim Mittelstandsforum der "Deutschen Bank" jedenfalls sucht Wolf die Nähe  der Anwesenden. Zu seinen Lieblingsthemen gehören die "Wirtschaftsförderung" und  "Behördenschelte". "Unternehmen brauchen einen Ansprechpartner in der  Verwaltung", sagt er. Oder: "Wir brauchen in der Berliner Verwaltung einen  Kulturwandel, es muß verstanden werden, daß das Geld auch verdient werden muß."  Das klingt nicht nach einem Postkommunisten. 
   Gerade erst verkündete Wolf: "Die Tür ist noch nicht zu." Er meinte die  Verhandlungen um den Erhalt des Berliner Standortes von  "Bosch-Siemens-Hausgeräte" (BSH). Das Werk soll geschlossen werden. Auch BSH  gehört in die lange Liste von Fabriken, die allein während der vergangenen zwölf  Monate "abgewickelt" wurden - wie "Samsung" oder "CNH". Die Beispiele belegen  leider, daß Wolfs Forderungen nach "mehr Industriearbeitsplätzen in Berlin" wohl  Traumtänzereien bleiben. Trotzdem rennt Wolf als Senator der Industrie hinterher  und versorgt sie mit Subventionen - in der Hoffnung, damit Arbeitsplätze  "kaufen" zu können. Im Falle "CNH" waren es 70 Millionen Euro, die das Land zum  Fenster hinausgeworfen hat.
   Haben seine linken Kritiker aus ihrer Perspektive vielleicht sogar recht? Die  WASG, jene Linksaußen-Splittergruppe, die gegen die große und mächtige Berliner  PDS in den Wahlkampf zieht, schimpft Wolf einen "Neoliberalen". Und ein  "Neoliberaler" ist bei denen allemal so schlimm wie ein "Neofaschist" - wenn  nicht schlimmer. 
   Wolf sei für die gefürchteten Zwangsumzüge von Hartz-IV-Empfängern und die  ungeliebten Ein-Euro-Jobs verantwortlich, sagen seine Gegner. Die Angst der  Betroffenen ist groß. Aber ein Blick in die Zahlen beweist: Sie ist unbegründet.  In Berlin - dafür hat die Linkspartei gesorgt - mußten gerade mal ein Dutzend  Hartz-IV-Empfänger wirklich umziehen, weil ihre Wohnung für zu groß befunden  wurde (Stand Mai 2006). 
   Trotzdem arbeitet Wolf in jüngster Zeit wieder verstärkt an seinem  verschrammten Image als Sozialist, und nicht mehr an dem als Wirtschaftsfreund.  Er will der unliebsamen Konkurrenz von links das Wasser abgraben. So geißelt er  öffentlich Hartz IV, ficht gegen die Mehrwertsteuererhöhung und setzt sich für  einen Mindestlohn ein. 
   Ob es hilft? Die Entlassung der BSH-Beschäftigten konnte Wolf so oder so  nicht verhindern. Einen Tag nach seiner Presseerklärung gab der  Waschmaschinenhersteller bekannt, daß die Schließung unabwendbar sei. 570  Arbeitsplätze fallen dann weg. Dies entspricht in Berlin dem durchschnittlichen  Arbeitsplatzrückgang eines ganzen Monats.  | 
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