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Zwangsarbeiter: Deutschland wird zahlen

 
     
 
Bezahlen ohne Ende, so werden viele Deutsche über die jetzt erneut präsentierten Forderungen auf Entschädigung der sogenannten Zwangsarbeiter denken Haben wir – so werden sie fragen – nicht schon weit über 100 Milliarden a Israel und an west- und osteuropäische Länder als "Entschädigung für Opfe nationalsozialistische
n Unrechts" gezahlt? Weshalb nun, über 50 Jahre nac Kriegsende, erneute Entschädigungsforderungen? Wer stellt sie, für was und für wen?

Der aufmerksame Zeitungsleser entdeckt wohlvertraute Namen von Anwälten un Organisationen, die schon in der jüngsten Kampagne gegen die Schweizer Banken wegen de "Nazi-Goldes" eine prominente Rolle gespielt haben. Liegt es da nicht nahe, da der erfolgreiche Abschluß dieses Feldzuges mit einer Beute von 1,25 Milliarden Dolla oder 2,375 Milliarden Mark die siegreichen Streiter für Gerechtigkeit und Mora beflügelt hat, nunmehr auch namhafte deutsche Industrieunternehmen für während de Zweiten Weltkrieges bei ihnen beschäftigte "Zwangsarbeiter" zur Kasse zu bitten?

Als diese nun nicht sofort das Portemonnaie zückten, griff man auf probate Mitte zurück: Sanktionsandrohungen in Form von Boykott ihrer Erzeugnisse, Behinderung ihre wirtschaftlichen Betätigung in den USA und beim Erwerb amerikanischer Unternehmen (s geschehen im Fall Bankers Trust/Deutsche Bank) sowie durc "Aufklärungs-Memoranden" an internationale Investmentfirmen, die rufschädigen wirkten. Angesichts der starken Exportabhängigkeit und internationalen Verflechtung de klagebedrohten deutschen Unternehmen zogen diese es vor, die drohende Gefahr durc Errichtung eines Entschädigungsfonds abzuwenden. Bislang 16 große deutsch Industrieunternehmen bemühen sich, ihren guten Willen zu einer ihren Wirtschaftszwei betreffenden Entschädigung durch Gründung des Fonds "Erinnerung, Verantwortung un Zukunft" zu bekunden.

Nachdem die Jewish Claims Conference darauf gepocht hatte, auch Zwangsarbeiter nich mehr existierender privater Industrieunternehmen sowie staatlicher Stellen wie Kommune und Wehrmacht zu entschädigen, hielt es Bundeskanzler Schröder (SPD) für angezeigt für die Verhandlungsrunde auch einen Regierungsbeauftragten zu bestellen. Er ernannt hierzu seinen damaligen Kanzleramtsminister Bodo Hombach (SPD). Seitens der amerikanische Regierung fungiert Stuart Eizenstat, stellvertretender US-Finanzminister, als Beauftragte für Entschädigungsfragen.

Hombach versuchte sein Bestes. Als er kürzlich zum Kosovo-Koordinator ernannt wurde äußerte Israel Singer, Generalsekretär des Jüdischen Weltkongresses, die Hoffnung daß er die Verhandlungen für die Bundesregierung weiterführen möge, da ihm die jüdischen Gruppierungen vertrauten. Auch Stuart Eizenstat brachte zur Kenntnis, daß die Verhandlungen über die Zwangsarbeiterentschädigung im Vergleich zu jenen mit de Schweizer Banken eine "tea-party" seien. Fragt sich, wie das zu deuten ist.

Der Verlauf der bisherigen Verhandlungen zeigt, daß die diversen Gruppierungen de Klägerseite zum Teil unterschiedliche Interessen und Ziele verfolgen. Jede diese Interessengemeinschaften gründet ihre Forderungen auf andere Dokumente, Daten un Kriterien. Zwischen den Verhandlungsseiten insgesamt bestehen erheblich Meinungsverschiedenheiten über Sachverhalte, Begriffe, Kategorie und Zahl de Anspruchsberechtigten, Art und Höhe der Entschädigung und vieles andere mehr. Es hat de Anschein, daß man sich in einem heillosen Wirrwarr verheddert.

Schon der Begriff "Zwangsarbeiter" ist ungeklärt. Für die deutsch Verhandlungsseite gilt es daher, den Kreis der Anspruchsberechtigten exakt zu beschreibe und abzugrenzen. Einerseits gab es Millionen ausländischer Arbeitskräfte – Polen Russen, Ukrainer, aber auch Franzosen, Belgier und Niederländer –, die im Rahmen vo Abwerbungsmaßnahmen zum Arbeitseinsatz in deutschen Wirtschaftsbetrieben aller Ar aufgefordert bzw. verpflichtet wurden. Mit ihnen bestand ein reguläre Beschäftigungsverhältnis, für das sowohl die Art des Arbeitseinsatzes, das Entgelt Steuer- und Sozialabgabepflicht, ja sogar Sparen, Urlaub und Rückbeförderung, geregel waren. Ihre Arbeitsbedingungen entsprachen denen der deutschen Arbeitnehmer, die zu eine erheblichen Teil, insbesondere nicht berufstätige Frauen, kriegsbedingt zu Arbeitseinsatz verpflichtet wurden. Das entscheidende Kriterium is "kriegsbedingt". Anders verhält es sich bei KZ-Häftlingen, die unte Haftbedingungen in privaten deutschen Industrieunternehmen eingesetzt waren. Ein Differenzierung bei der Entschädigung erscheint daher berechtigt.

Eine Gruppe besonderer Art stellen "Ostarbeiter", speziell Russen un Ukrainer, dar, die aufgrund der ihnen unterstellten "Zusammenarbeit mit de faschistischen Feind" bei ihrer Rückkehr nach Kriegsende sofort in den GULa verfrachtet wurden, wo sie dann Zwangsarbeit auf sowjetische Art leisten mußten. Die Entschädigung ist hier besonders problematisch.

Völlige Verwirrung herrscht über die Zahl der von den verschiedenen Interessengruppe vertretenen Entschädigungsanwärter, die um mehrere Hunderttausend auseinandergeht Tagtäglich geistern neue Zahlen durch den Blätterwald. Mehrfachanmeldungen sind nich auszuschließen. Wer kontrolliert, um Mehrfachleistungen zu verhindern? Sind nicht gerad deshalb Sammelklagen und Pauschalleistungen so beliebt?

Für den Industriefonds, dem bislang nur einige Großunternehmen beigetreten sind stellt sich die Frage, ob er zur Aufstockung gezwungen werden kann, um auch Zwangsarbeite anderer Industrieunternehmen und solcher, die heute nicht mehr existieren, zu entschädigen. An den Regierungsbeauftragten wird die Forderung nach Entschädigung vo Zwangsarbeitern in staatlichen Betrieben, aber auch der Landwirtschaft gestellt werden Der Großteil der "Ostarbeiter" war nämlich in der Landwirtschaft beschäftigt die damals überwiegend aus kleinen, heute vielfach auch nicht mehr existenten Höfe bestand. Gerade hier stellt sich die Frage, ob man beim landwirtschaftliche Arbeitseinsatz im Hinblick auf die Freizügigkeit (kein Lageraufenthalt) und die befriedigende Versorgung von Zwangsarbeit sprechen kann.

Wie inzwischen verlautet, ist für die nicht in privaten Industriebetrieben tätige Zwangsarbeiter eine Bundesstiftung geplant. Aber nicht nur über den Kreis de Anspruchsberechtigten, sondern auch über Höhe und Modus der Entschädigungsleistun besteht erheblicher Dissens. Soll die Entschädigung individuell, d. h. abhängig vo der Dauer und Schwere der Arbeit, von der heutigen Bedürftigkeit de Anspruchsberechtigten und seinem Wohnsitz, oder gleichmäßig pauschal – wie bei de Arbeitern im Weinberg des Herrn –, ferner einmalig oder als Rente gezahlt werden Entschädigungskonzepte wurden erarbeitet und präsentiert.

Weitere Probleme tauchten auf – wie beispielsweise, ob als Bemessungsgrundlag für die Entschädigung der damals übliche Lohn, umgerechnet auf heutige Verhältnisse oder die Durchschnittsrente im Wohnsitzland zugrunde gelegt werden soll oder wie be Pauschalzahlungen eine Pro-Kopf-Höhe festzusetzen ist. Damit nicht genug: Einig Unersättliche forderten auch Entschädigungen für die Erben ehemaliger Zwangsarbeiter was einen nicht mehr kalkulierbaren Multiplikatoreffekt zur Folge haben würde. Angesicht der utopischen Größenordnungen und mangelnder Konkretisierung der auf die verschiedene Kategorien der Zwangsarbeiter entfallenden Entschädigungsbeträge ist es begreiflich daß die Verhandlungsführer des Industriefonds Rechtssicherheit verlangten, um fürderhi nicht mit weiteren Klagen überzogen zu werden. Die Erfüllung dieser Bedingunge erscheint allerdings höchst fraglich, da es nach amerikanischem Recht nicht zulässi ist, Zivilklagen zu verbieten.

Wie nicht anders zu erwarten, wurde den Industriemanagern Blockadehaltung un Hartherzigkeit "gegenüber den Opfern" vorgeworfen. Bundestagspräsiden Wolfgang Thierse (SPD) bezeichnete die Diskussion über die Entschädigung als "beschämend" und "skandalös". Und unisono bliesen auch notorisch Gutmenschen in dieses Horn. Die Erkenntnis, daß Verhandlungen über finanziell Streitfragen mit nüchternem Verstand von kompetenten Fachleuten geführt werden müssen ist in diese Kreise noch immer nicht durchgedrungen.

Die dilettantische und stets nachgiebige Verhandlungsführung bei internationale Verträgen hat den deutschen Steuerzahler schon unzählige Milliarden gekostet. In diese Zusammenhang stellt sich eine weitere ungeklärte Frage, nämlich die der Anrechenbarkei schon geleisteter Entschädigungszahlungen der Bundesrepublik an andere Staaten sowi einiger Industrieunternehmen an ihre ehemaligen Fremdarbeiter.

Dazu ein kurzer historischer Rückblick: Entschädigungsforderungen ehemalige Zwangsarbeiter wurden in früherer Zeit unter Hinweis au
diverse internationale Abkomme
zurückgewiesen. So stellte etw
das "Londoner Schuldenabkommen" vom 28. Februar 1953 die Entschädigun ausländischer Zwangsarbeiter bis zum Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschlan zurück. Hinsichtlich der Forderungen osteuropäischer Zwangsarbeiter wurde darau verwiesen, daß die Sowjetunion a
22. August 1953 im Einverständnis mit der Regierung der Volksrepubli
Polen gegenüber der DDR auf weitere Reparationsleistungen verzichtet habe. Bekanntlich hat sich die Sowjetunion in Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 (Ziff. IV, 2) verpflichtet, aus den ihr zustehende Reparationen auch die Ansprüche Polens zu befriedigen, womit sich die polnische Regierun am 16. August 1945 einverstanden erklärte.

Die Standfestigkeit der deutschen Bundesregierung wurde jedoch alsbald erschüttert. I dem mit dem 1948 gegründeten Staat Israel und der Conference Jewish Material Claim against Germany am 10. September 1952 in Luxemburg abgeschlossene Wie-dergutmachungsabkommen wurden auch Entschädigungen für jüdische Zwangsarbeite vereinbart. In globalen Wiedergutmachungsabkommen mit elf westeuropäischen Staaten vo 1956 wurden seitens der Bundesregierung Pauschalleistungen in Höhe von 876 Millionen Mar an "Verfolgte des NS-Regimes" zugesagt. Da die Zahlungen als freiwillig und ohn Präjudiz deklariert wurden und pauschal, ohne ausbedungenen Verwendungsnachweis erfolgten, ist nicht feststellbar, ob und in welcher Höhe auch Zwangsarbeiter Leistunge erhielten.

Ermuntert durch die Zahlungswilligkeit der Deutschen machten die Polen nach Abschlu der Warschauer Verträge im Jahr 1972 Entschädigungsleistungen geltend. Der damalig Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) räumte in Verhandlungen mit dem seinerzeitige polnischen Ministerpräsidenten Gierek am 1. August 1975 Polen einen Finanzkredit vo einer Milliarde Mark zu günstigen Bedingungen ein. Ferner wurde ein Abkommen zu wechselseitigen Abgeltung von Rentenansprüchen geschlossen, wodurch Polen weitere 1, Milliarden Mark erhielt. Hier wird die Entschädigung für polnisch "Zwangsarbeiter" offenkundig.

Die Entschädigungsfrage für Zwangsarbeiter wurde im Rahmen de "Zwei-plus-vier-Verhandlungen über die deutsche Einheit" von interessierte Seite aber wieder auf den Tisch gebracht. Ungeachtet des Tatbestandes, daß de Zwei-plus-vier-Vertrag im staatsrechtlichen Sinne keinen Friedensvertrag darstellt un somit die Voraussetzung für die Geltendmachung von Ansprüchen nicht gegeben waren, wurd die Bundesrepublik Deutschland sofort mit angeblich aufgeschobenen und jetzt fälli gewordenen Entschädigungsforderungen konfrontiert.

Da vielfach keine ausreichende juristische Anspruchsgrundlage gegeben war, wurde ebe eine "moralische" konstruiert.

Das gleiche Schicksal ereilte verschiedene prominente Industrieunternehmen, die au nachhaltigen Druck schon in den vergangenen Jahrzehnten "freiwillig" Zahlunge geleistet hatten. Angeblich sind es insgesamt mehr als 100 Millionen Mark. Ungeachte dessen verlangen die "Ehemaligen" weitere Beträge. Selbst eine Erklärun seitens der Empfänger bisheriger Leistungen wird von diesen für unzumutbar gehalten. Al verhängnisvoll erweist sich jetzt auch, daß die Bundesregierungen, aber auc Industrieunternehmen, keine vollzähligen, zusammenfassenden Statistiken über die bishe erbrachten Entschädigungsleistungen vorgelegt haben. Weshalb diese Heimlichtuerei? Die Entschädigungsfrage kann nicht für weitere Generationen offengehalten werden. Wan endlich – so fragen viele – kommt es zu einem historische Schlußstrich?


 
     
     
 
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