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Auf der Suche nach der vorgeschichtlichen Sammlung des Prussia-Museums in Königsberg

 
     
 
Am aufschlußreichsten is der Bericht von I. I. Altsch kow von 1968: "Einmal erkundete ich zusammen mit meinen Kameraden die unterirdische Gänge von Quednau, indem wir uns den Weg mit einer kleinen Laterne beleuchteten. Als wi eine Lücke sahen, stiegen wir hinunter und landeten in einem isolierten Zimmer, ungefäh 3 mal 5 Meter groß, in dem Kisten unterschiedlicher Größen aufeinander lagerten. Al wir eine von ihnen aufdeckten, wurden wir ziemlich enttäuscht. Außer irgendwelche Steinen, Elfenbeingegenständen und Erzeugnisse
n aus Bronze und Kupfer, die uns nich gefielen, entdeckten wir nichts."

"Natürlich wurden", so der staatliche Ermittler Owsjanow, "die damal aufgefundenen Wertgegenstände teils entwendet, teils vernichtet." Daß im Fort da bedeutendste Museumsgut ausgelagert war, hielt Direktor La Baume noch in eine Feldpostbrief vom 23. März 1945 aus der eingeschlossenen Festung Königsberg fest. In de im Archiv des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Berlin aufbewahrten Dokument heiß es unter anderem: "Ein zweiter großer Teil der Sammlung (Studiensammlung und Auswah aus der Schausammlung) lagert in dem alten Fort bei Quednau nördlich von Königsberg; e sind 34 Kisten und einige Schaukästen (sämtliche Bronzen der Bronzezeit und frühe Kaiserzeit, die meisten Gold- und Silberschmucksachen, sowie das Inventar mehrere Gräberfelder). Dorthin waren diese Sachen wegen Luftgefahr gebracht worden. Be Zuspitzung der Lage an der Ostfront konnte nicht mehr an den Abtransport dieser Kiste gedacht werden. Ich habe mich am 24. 2. 1945 davon überzeugt, daß diese Altertüme seitens der Kommandantur des Forts Quednau an ihrer Stelle in dem vorzüglich gesicherte Bunker belassen worden sind."

Zur vorgeschichtlichen Abteilung des Prussia-Museums schrieb Alfred Rohd (1892–1945), Direktor der Städtischen Kunstsammlungen, in dem noch 1942 von de Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten in Berlin in fünfter erweiterte Auflage herausgegebenen Führer "Das Schloß in Königsberg (Pr) und sein Sammlungen": "Die Schausammlung, die nur eine Auswahl aus dem sehr reiche Fundstoff an ostdeutschen Altertümern aus Gräbern, Siedlungsstellen und Hortfunde (Verwahrfunden) enthält, bietet einen Überblick über die ostdeutsche Vorgeschicht von der Steinzeit bis zur spätheidnischen Zeit." Die im Erdgeschoß des Südflügel in Raum 1 bis 6 präsentierte Schausammlung war, wie La Baume bezeugt, "bei de Brande des Schlosses am 30. August 1944 (Luftangriff) fast unberührt gebliebe …". Durch das Landesamt wurde die Schausammlung so weit gesäubert und geordnet daß im Frühjahr 1945 die Wiedereröffnung der Schausammlung hätte stattfinden können wenn nicht im Januar 1945 die russische Front sehr schnell bis Königsberg vorgedrunge wäre. Ich habe nach der Einschließung der Festung Königsberg die Schausammlun beständig überwacht … Um für die Sicherung der Schausammlung (die übrigens durc Herausnahme der wichtigsten Stücke reduziert worden war [eben der Exponate, die ins For Quednau ausgelagert wurden, Anm. d. Verf.] ) das Menschenmögliche zu tun, habe ich in März 1945 sämtliche Fenster und eine Außentür (ehemaligen Eingang) vollständi zumauern lassen."

Von diesen bis zur Kapitulation der Stadt am 9. April 1945 im Schloß verbliebene Beständen der Schausammlung wurden nach dem Krieg Teile geborgen. Wie jüngst de Moskauer Archäologe Wladimir A. Kulakow, Leiter der Baltischen Expedition de Archäologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften, und andere in einer russische Zeitschrift mitteilten, "gelang es Prof. A. J. Briusow, einem Bruder des bekannte Poeten, aus den Ruinen des königlichen Schlosses … auch archäologisch Exponate" zu retten. "Ein Teil davon verblieb in dem für Rußland neue Gebietszentrum Kaliningrad. Weitere mehr als 90 Einheiten … kaufte 1950 das damalig Kaliningrader Heimatmuseum von den ,Suchern‘ A. J. Maximow und B. F. Neumar … auf." Und noch 1967/1968 (!), vor der Sprengung des Schlosses, "fand de Museumsangestellte Strokin in den Ruinen des Schlosses Reste von Kisten mi Exponaten und Inventurlisten, die zusammen mit Soldaten der deutschen Wehrmacht … jahrzehntelang unter den Trümmern der eingestürzten Wände des Museums gelege hatten." (A. A. Walujew, K. N. Skworzow und W. I. Kulakow, Ein aus der Asch erstandener Schatz, in: "Tolkemita", Mitteilungen 1/2000.)

Die in der Schloßruine gefundenen Ausstellungsstücke, deren genaue Anzahl bishe nicht bekannt ist, befinden sich heute im Museum für Geschichte und Kunst. Ob auch Teil der Prussia-Sammlung in den vormaligen Geheimdepots im Moskauer Puschkin-Museum und in de Staatlichen Eremitage in St. Petersburg verwahrt werden, wie für archäologisch Bestände aus dem Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin Museen bezeugt, ist nich bekannt. In der archäologischen Abteilung des Königsberger Museums sind neben de umfangreichen Neufunden der seit Anfang der 90er Jahre durchgeführten Grabungen auch run 150 vorzügliche Exponate in fünf Vitrinen ausgestellt, die als Altbestände aus de Schloß gekennzeichnet sind: Schmuck, Trachtzubehör und Geräte aus Bronze, Kupfer un Silber aus dem 2. bis 13. Jahrhundert. Von den bisher in Moskau untersuchten 2053 Objekte sowohl aus den Ruinen des Schlosses als auch aus dem Fort III konnte laut Mitteilung au Moskau vom 8. Januar 2000 für 55 ganze und 118 fragmentierte Objekte – also 8, Prozent – die Herkunft aus dem Prussia-Museum bestimmt werden (vgl. Tolkemit 1/2000). Nach den angeführten Quellen und Recherchen vor Ort muß die Angabe von Wilfrie Menghin, Direktor des Berliner Museums für Vor- und Frühgeschichte, vom August 1998 über "den Verbleib der reichen Schausammlung ist nichts bekannt", nachgebesser werden (vgl. Vorwort zur Monographie von Woiciech Nowakowski, "Die Funde de römischen Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit in Masuren", Berlin 1998).

Ein großer Teil des nicht ausgestellten Materials, die zu wissenschaftlichen Zwecke dienende Studiensammlung, wurde nicht, wie allgemein angenommen, im Schloß, sondern in Landesamt für Vorgeschichte, Hintertragheim 31, aufbewahrt. Diese magazinierten Beständ und das Fundarchiv wurden, wie La Baume dokumentierte, bereits "1943 nac Rastenburg-Carlshof gebracht … Hiervon ist bei weitem das meiste im Dezember 1944 un im Januar 1945 nach Vorpommern geschafft worden". Der Inhalt eines der beiden Waggon "lagert in Schloß Brook bei Demmin". Der Inhalt des anderen "konnt infolge Transportschwierigkeiten nicht nach Brook gebracht werden; diese Sachen wurden in einem leer stehenden Barbierladen in der Hauptstraße in Demmin untergebracht … I Carlshof geblieben sind die großen Schränke, ein kleiner Teil der Schubladen, etwa 50 Stück Keramik (Auswahl), die durch Zusammenstürzen des Regales … größtenteil schwer gelitten hatte, sowie die nach Carlshof gebrachten Bücher und Zeitschriftenserie der Prussia-Bücherei ... In Brook lagern auch das gesamte Fundarchiv, die Ausgrabungspläne, die Negativsammlung u.a.m.".

Die in Carlshof bei Rastenburg verbliebenen Funde wurden nach dem Krieg in einer Kirch der Irrenanstalt von Carlshof aufgefunden und in das Museum für Ermland und Masuren in der Burg Allenstein verbracht. Laut Miroslaw J. Hoffmann vom Institut für Archäologi der Universität Warschau enthielten die über 20 in Carlshof aufgefundenen Kiste "hauptsächlich neolithische Keramik- und Feuersteinfunde und Keramik und Metalle au der Römischen Kaiserzeit". Diese werden im Museum in der Burg Allenstein "etw 1100 verschiedene Exemplare aus dem Prussia-Museum" aufbewahrt.

Der Großteil der Studiensammlung und das Fundarchiv, die nach Demmin ausgelager wurden, wurde leider systematisch geplündert, bevor durch die Bemühungen von Wilhel Unverzagt (1892–1971), dem Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte, die 125 zum Teil zerstörten und beraubten Kisten nach Ostberlin überführt und der Akademi der Wissenschaften übergeben wurden. Im Keller des Gebäudes (ehemaliges Herrenhaus de Preußischen Landtags) in der Leipziger Straße wurden die Funde dann über 40 Jahr ignoriert. Mit der Wende erfolgte 1990/91 die Übergabe des Materials an das Museum fü Ur- und Frühgeschichte in Ostberlin und wurde im Dachgeschoß des Alten Museum zwischengelagert. 1992, im Zuge der Umstrukturierung der Staatlichen Museen Preußische Kulturbesitz, gingen die Bestände schließlich an das Museum für Vor- un Frühgeschichte im Charlottenburger Schloß. Hier wurden und werden seit 1995 die Funde die sich durch die lange und unsachgemäße Lagerung größtenteils in einem ungeordnete und beklagenswerten, zum Teil nicht mehr rettbaren Zustand befanden, zunächst restaurier und katalogisiert, und das umfangreiche Fundarchiv – Kartei, Negativsammlun (Glasplatten), Notizbücher, Grabungsdokumentation, Korrespondenz usw. – gesichte und archiviert.

1999/2000 wurden im Fort III allerdings nicht das "Herzstück der deutsche Prussia-Sammlung" ("Der Spiegel"), das "prußische Atlantis" (Walujew, Skworzow und Kulakow) entdeckt und die "gesunkene Titanic der prussische Archäologie" gehoben (Owsjanow). Das "Ereignis der wiedergeborene Exposition" gehört noch nicht "zu den wenigen ,Mythen des 20 Jahrhunderts‘, die zur geschichtlichen Realität wurden" (Walujew u. a.) Vielmehr steht die "kulturhistorische Sensation von europäischer Bedeutung" (Owsjanow) noch aus. Von dem von La Baume erwähnten, ins Fort ausgelagerten Museumsgu fehlen nicht nur "die meisten Gold- und Silberschmucksachen", sondern vor alle auch "die berühmten Bronzen", nämlich "sämtliche Bronzen der Bronzezei und frühen Eisenzeit" – zumindest der Großteil. Gerade für diese Epochen, s rühmte Richard Dethlefsen (1864–1944), der Provinzialkonservator Ostdeutschlands, in Jahre 1925, gehörte die Prussia-Kollektion zu den "ersten Museen der Wel überhaupt".

Das Königsberger Gebietsmuseum für Geschichte und Kunst unter der Direktorin Jelen Penkina hofft, die neuen Funde aus dem Fort nach ihrer Restaurierung bald in eine Ausstellung präsentieren zu können. Zur Zeit fehlen aber noch ausreichende finanziell Mittel, nicht zuletzt für die Anschaffung von Vitrinen. Gebietsgouverneur Leonid Gorbenk soll zwar eine halbe Million Rubel zugesagt haben, doch bisher seien erst 30 000 zu Verfügung gestellt worden. Man habe auch, so Walujew, einen Bittbrief an da Deutsch-Russische Haus (DRH) in Königsberg geschrieben, das Kontakte zu deutsche Institutionen und Regierungsstellen pflegt. Aus Deutschland und Berlin habe man jedoch vo offizieller Seite bisher nichts gehört.

Es bleibt dennoch zu hoffen, daß die Rekonstruktion und wissenschaftliche Bearbeitun der ehemaligen bedeutenden vorgeschichtlichen Sammlung des Prussia-Museums, de ostdeutschen Landeskundlichen Provinzialmuseums, von der heute Teile der Schausammlung der Studiensammlung und der Archivalien in Königsberg, Allenstein und Berlin erhalte sind, in Zusammenarbeit von russischen, polnischen und deutschen Wissenschaftlern erfolge kann. Dazu wäre jenseits aller Besitzansprüche und der Frage einer Zusammenführung de Bestände, zu deren Lösung die Politik gefordert ist, die Gründung einer gemeinsame wissenschaftlichen Kommission erforderlich. (Schluß)

 
     
     
 
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