|  | Der Architekt ist seinem Begriff nach der Veredler aller menschlichen  Verhältnisse. Er muß in seinem Wirkungskreise die gesamte schöne Kunst umfassen.  Plastik, Malerei und die Kunst der Raumverhältnisse nach Bedingungen des  sittlichen und vernunftgemäßen Lebens des Menschen schmelzen bei ihm zu einer  Kunst zusammen." Der dies sagte, gehört zu den Großen des 19. Jahrhunderts und  gilt als universaler Geist einer Kunstepoche  , hat er doch nicht nur profane und  sakrale Bauten entworfen, Bilder gemalt und sich um die Erhaltung bedeutender  Baudenkmäler wie etwa der Marienburg bemüht, sondern auch Bühnendekorationen  gestaltet und gar Möbel geschaffen: Karl Friedrich Schinkel (1781-1841), der  Schöpfer des preußischen Stils. Der Berliner Kunsthistoriker Prof. Dr. Helmut  Börsch-Supan stellte einmal die Besonderheit Schinkels heraus, indem er sagte:  "Bei aller persönlichen Liebenswürdigkeit, die Schinkel nachgerühmt wird, hatte  sein Bestreben, durch die Lieferung von Entwürfen für die mannigfaltigsten sich  in Kunst und Kunstgewerbe stellenden Aufgaben gestaltend auf die Umwelt  einzuwirken, jedoch auch einen autokratischen Zug. Seinen Mitarbeitern blieb  neben ihm nicht viel Spielraum zur Entwicklung eigener Ideen. So kam es, daß  Schinkels universaler Geist eine Kunstepoche auf nahezu allen Gebieten für eine  relativ lange Zeit prägen konnte, ein Phänomen, das in Deutschland im 19.  Jahrhundert in diesem Ausmaß einzigartig ist ..." Viele der Schinkelschen Bauten sind in der Vergangenheit vernichtet worden,  allein in Berlin 33 an der Zahl, darunter der Dom am Lustgarten (1893), das  Redernsche Palais (1905), die Glienicker Brücke (1907). Man denke auch an die  verschiedenen Palais an der Wilhelmstraße oder an die von 1832 bis 1835 zwischen  Kupfergraben und Friedrichswerderscher Kirche errichtete Bauakademie, den ersten  repräsentativen Rohziegelbau in Preußen, der 1962 abgerissen wurde und dem  Gebäude des DDR-Außenministeriums weichen mußte. Der 2001 gegründete Verein  Internationale Bauakademie Berlin, an dem renommierte Architekten beteiligt  sind, bemüht sich nun, mit Hilfe von Sponsoren das ehrwürdige Gebäude wieder zu  errichten. In der Zwischenzeit sollen mit der Schinkelschen Fassadenarchitektur  bedruckte Planen in den Originalabmessungen einen Eindruck von der Wirkung des  städtebaulichen und architektonischen "Juwels" im historischen Zentrum Berlins  vermitteln.
 
 Sein erster Ziegelbau war die Bauakademie nicht; schon bei der Neuen Wache und  bei der Friedrichswerderschen Kirche hatte Schinkel "ohne Übertünchung und  Abputz" gearbeitet. Mit der Bauakademie jedoch erreichte er einen Höhepunkt in  dieser Technik. Als das Gebäude fertig war, bezog Schinkel mit seiner  sechsköpfigen Familie eine über 600 Quadratmeter große Wohnung (mit Atelier) im  2. Obergeschoß. So blieb er nah am Geschehen. Überhaupt beherbergte die  Bauakademie nicht nur Zeichen- und Hörsäle, in denen Architekten und  Bauingenieure aus allen königlichen Provinzen ausgebildet wurden, sondern unter  anderem auch zwölf Läden im Erdgeschoß, deren Inhaber zum Unterhalt des Gebäudes  beizutragen hatten - eine aus heutiger Sicht sehr fortschrittliche Idee. Die  Bauakademie, vom Volksmund allerdings wegen ihrer Kubusform respektlos "roter  Kasten" genannt, wird heute als ästhetisch gelungene Verbindung von Tradition  und Moderne, als handwerkliches Musterstück und als Schlußstein Schinkelschen  Schaffens geschätzt.
 
 Seine späteren Erfolge hatte sich der damals 19jährige gewiß nicht träumen  lassen, als er nach dem Tod der Mutter in Berlin ganz auf sich allein gestellt  war. Als Schüler der Architekten David und Friedrich Gilly erhielt Schinkel  schon frühzeitig - nicht zuletzt auch durch den plötzlichen Tod seines  Lehrmeisters - die Gelegenheit, sein Können unter Beweis zu stellen. Seine  frühesten Bauten lagen im Oderbruch und in Kurland. 1803/04 machte Schinkel, wie  so viele seiner Zeitgenossen, sich auf den Weg nach Italien. Über Dresden, Prag  und Wien gelangte er in das Sehnsuchtsland der Deutschen, wo er sich lange  Monate aufhielt. Skizzen und Zeichnungen zeugen noch heute von dieser Reise.
 
 Schinkel geriet in die Wirren der Napoleonischen Kriege; die Schlacht bei Jena  und Auerstedt 1806 ließ das Königreich Preußen zusammenbrechen, und für einen  Baumeister gab es in diesen Zeiten recht wenig zu tun. Schinkel wandte sich  jetzt wieder mehr der Malerei zu; mit seinen Theaterdekorationen begeisterte er  Publikum und Auftraggeber. So las man im Dramaturgischen Wochenblatt 1816:  "Durch ihn (Schinkel), darf man sagen, ist die Dekorationsmalerei aus einer  todten Aufgabe der Perspektive, oder einer starr geistlosen Darstellung  verwirrender Pracht zu einer schönen Kunst geworden. So lieferte er die  Dekorationszeichnungen zu Fouqués durch E.T.A. Hoffmann komponirten Oper  ,Undine , die dadurch einen malerisch theatralischen Reiz gewann, der Allen, die  Zeugen davon gewesen, noch heute unvergeßlich ist. An Schönheit, an  phantastischem Reiz hat die Bühne, so weit wir sie kennen, noch heute nichts  Aehnliches für das Auge geleistet ..." - Als dann das Schauspielhaus 1817 einem  Brand zum Opfer fiel, waren auch Schinkels Dekorationen verloren; er aber wurde  damit beauftragt, das Neue Schauspielhaus am Gendarmenmarkt zu errichten ...
 
 In der Zwischenzeit hatte man nämlich die große Begabung des Architekten  erkannt, ihn zum Mitglied der Akademie der Künste ernannt und 1815 zum Geheimen  Oberbaurat befördert. 1819 dann folgte die Ernennung zum Professor an der  Akademie der Künste und zum Mitglied des Akademischen Rates, 1831 wurde er  Oberbaudirektor, 1839 Ober-Landes-Baudirektor.
 
 Als höchster Beamter zuständig für das Bauwesen in Preußen unternahm Schinkel in  diesen Jahren auch eine Reihe von Dienstreisen durchs Land und beeinflußte durch  seine Stellung viele der nach ihm folgenden Architekten. Fast jeder  klassizistische Bau jener Jahre wird mit seinem Namen verbunden. Die meisten  Entwürfe anderer Architekten landeten auf seinem Tisch und sind mit seinen  Korrekturen versehen, so ein Vorschlag für die Innengestaltung der Stralsunder  Marienkirche von dem Baumeister Johann Michael Lübke. Er ist mit dickem Stift  durchgestrichen und von Schinkel als verspielt abgelehnt. Auf der Rückseite des  Blattes findet sich dann ein freihändiger Entwurf Schinkels für St. Marien, zu  sehen in einer Ausstellung, die noch bis zum
 
 24. Oktober im Vineta-Museum der Stadt Barth unter dem Titel "Schinkel und seine  Schüler" die Besucher auf die Spuren großer Architekten in Mecklenburg und  Pommern führt. Erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs wird in dieser  Ausstellung die alte Kulturlandschaft beiderseits der Oder gemeinsam  präsentiert. Ein Katalog mit äußerst informativen Beiträgen zu Schinkel, seinen  Schülern und zur Architekturgeschichte erschien im Schweriner Thomas Helms  Verlag (348 Seiten, gebunden, 24 Euro). Zu sehen sind in Barth Zeichnungen,  historische Ansichten, Baupläne, Briefe und auch Modelle wichtiger Bauten, die  von Studenten der Fachhochschule Coburg gefertigt wurden.
 
 Wenn auch der Titel "Schinkel und seine Schüler" ein wenig irreführend ist, denn  Schüler im eigentliche Sinne hatte der Neuruppiner nicht, so galt er doch als  Mentor und vor allem als Autorität in ästhetischen und baukünstlerischen  Belangen. Zu nennen sind hier neben dem wohl bedeutendsten "Schüler" Friedrich  August Stüler (1800-1865) Georg Adolph Demmler (1804-1886), der das Bild  Schwerins entscheidend prägte, Friedrich Wilhelm Buttel (1796-1869), der im  Herzogtum Mecklenburg-Strelitz wirkte, oder Friedrich Hitzig (1811-1881), in  Berlin erfolgreich, aber auch als Baumeister von noblen Herrenhäusern in  Mecklenburg und Vorpommern, und Martin Gropius (1824-1880), der den  Bibliotheksbau für die Universität Greifswald plante und als einer der letzten  herausragenden Architekten des 19. Jahrhunderts gilt, ein "treuer Bewahrer und  konsequenter Anhänger Schinkelscher Bauideale".
 
 Karl Friedrich Schinkel, Maler, Denkmalschützer und Baumeister, ist es nicht  zuletzt zu verdanken, daß Preußen erstmalig in der Geschichte der deutschen  Kunst eine Führungsrolle übernahm. In seinem Werk vereinigten sich auf  glanzvolle Weise Romantik und Klassik zu einem harmonischen preußischen Stil.  Peter van Lohuizen
 
 
 
 Der Leuchtturm zu Arkona: Dieser Bau wird auch Schinkel zugeschrieben, obwohl  nur eine Zeichnung seine Signatur trägt. Foto: Stahlstich Rosmäsler, 1835;  Katalog
 
 
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