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Bevölkerungspolitik:Lust auf Familie

 
     
 
Lust auf Familie" proklamie te die CDU als Leitsatz ihre neuen familienpolitischen Antrages, der im Dezember auf einem "Kleine Parteitag" in Berlin verabschiedet werden soll. Doch den Deutschen ist die Lust au Familie längst vergangen. In weniger als 30 Prozent aller Haushalte leben noch Kinder Der Anteil lebenslang Kinderloser, in den 60er Jahren noch unter zehn Prozent, liegt heut bei rund 30 Prozent der Gesamtbevölkerung
. Der Trend steigt unter anderem deshalb auc an, weil die Lebenserwartung höher ist als früher. Denn verglichen mit den 60er Jahre leben die Bundesdeutschen heute im Schnitt zwölf Jahre länger.

Es gibt zwei Möglichkeiten, die Situation der Familie zu beleuchten: Da ist zunächs die ideelle Betrachtung, die den Wert der Erziehungsleistung würdigt. Außerdem gibt e die materielle Seite. Dabei muß sich der Staat fragen lassen, was er für die Familie tu und ob die gewährten Leistungen ausreichend sind.

Beginnen wir mit der ideellen Betrachtung, ausgehend vom CDU-Leitantrag, weil von de anderen Parteien und auch von der Regierung ähnlich grundsätzliche Änderungen im Momen nicht vorliegen. "Familie", so beschreibt die CDU ihre neue Erkenntnis in de Nach-Kohl-Ära, "ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Elter Verantwortung tragen". Diesem Gedanken mag man zustimmen können. Doch gibt es noc weitere Kapitel: So will die CDU nach ihrem Verständnis nicht mehr vorschreiben "wie die Menschen zu leben haben". Dies ist keine Liberalisierung oder Öffnung wie jubelnde Kommentatoren geschrieben haben, sondern ein Schritt weiter in die Beliebigkeit.

Die traditionelle menschliche Organisation in einer christlich bestimmten Gesellschaf – und auch schon davor – war und ist die Familie: bestehend aus Vater, Mutte und Kindern sowie – soweit vorhanden – Großeltern. Gewiß, heutzutage wird jed dritte Ehe geschieden. Daraus aber den Schluß zu ziehen, man müsse nun die Realitäte anerkennen und daraus die entsprechende Politik ableiten, ist grundsätzlich genaus grundfalsch wie alle Versuche in den siebziger und achtziger Jahren, eine Realität namen DDR anzuerkennen und als unveränderbar anzusehen.

Die CDU wäre gut beraten gewesen, die Gründe für das Scheitern vieler Familien un den nachfolgenden Gang zum Scheidungsrichter zu beleuchten. Die Gründe liegen in eine immer familienfeindlicher gewordenen Gesellschaft. Der Höhepunkt von Familien- un Kinder-Gegnerschaft mag überwunden sein, aber immer noch gilt unter Normalverdienern die Entscheidung für ein Kind als Abkoppelung von den übrigen Teilnehmern de Wohlfahrtsstaates. Hinzu kommt, daß sich Familien nicht genügend unterstützt sehen wenn sie Wohnungen oder Hilfe bei der Erziehung brauchen. Erziehungsberatungsstellen un Jugendämter werden zumeist tätig, wenn es bereits zu spät und die Familie zerbroche ist. Bedeutung und Einfluß der Kirchen als die Familie stützende Institutionen sin weitgehend geschwunden.

Die Beliebigkeit als Grundlage der Familien- oder – besser gesagt – "Menschen-mit-Kindern-Politik" wird auch an einem anderen Beispiel deutlich Während SPD und Grüne das Ziel, homosexuelle Lebensgemeinschaften aufzuwerten, in ihr Koalitionsvereinbarung geschrieben haben, paßt sich die CDU auf diesem Feld langsam an "Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen de Partnerschaft ihren Lebensentwurf zu verwirklichen suchen. Dies gilt für nichtehelich Partnerschaften zwischen Frauen und Männern, dies gilt auch für gleichgeschlechtlich Partnerschaften", heißt es jetzt bei der CDU. Natürlich fordert die Partei noc keine bessere rechtliche Stellung, etwa im Erb- oder Mietrecht für homosexuell Lebensgemeinschaften, aber die Beliebigkeit als Grundsatz wird auf einem anderen Fel deutlich: "Wir anerkennen, daß auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden, die grundlegend sind für unsere Gesellschaft".

Da wird die eigentliche Familie an den Rand gedrückt. Und da hilft es auch nicht mehr, wenn die CDU die finanzielle Förderung erheblich ausweiten will, indem Kindergel und Erziehungsgeld zusammengefaßt und für sechs Jahre als Familiengeld gezahlt werde sollen. Denn Geld allein macht bekanntlich nicht glücklich.

Doch auch die finanziellen Zuwendungen an die Familien waren in den vergangene Jahrzehnten zu niedrig. Sie sind es selbst heute nach mehreren Anhebungen des Kindergelde immer noch. So kommt der Darmstädter Sozialrichter Jürgen Borchert bei einem Vergleic der Familiensituation zwischen 1961 und der von der rotgrünen Regierung zugesagte Verbesserung ab 2000 zu dem Ergebnis: "Dennoch waren die Freibeträge und da Kindergeld gemessen am Arbeitseinkommen seinerzeit deutlich höher, als sie im Jahre 200 selbst nach Verwirklichung der Karlsruher Familienbeschlüsse sein werden.

Denn zu Verbesserungen der Familienförderung mußte die jeweilige Bundesregierung in den letzten Jahren stets durch das Bundesverfassungsgericht gezwungen werden, das vo Eltern angerufen worden war. Selbst die Erhöhungen des Kindergeldes durch den damalige Finanzminister Theo Waigel (CSU) mußten die Familien weitgehend selbst bezahlen: Waige schaffte im gleichen Atemzug die steuerlichen Kinderfreibeträge ab, so daß manch Familien nachher genauso schlecht dastanden wie zuvor.

Im November 1998 brach das Verfassungsgericht erneut ein Lanze für die Familien: Die Karlsruher Richter verpflichteten den Gesetzgeber, nicht nur den Aufwand für Nahrung Kleidung und Unterkunft steuerfrei zu stellen (dafür hatte sich der abwertende Begrif Existenzminimum festgesetzt), sondern auch Aufwand für Betreuung und Erziehung. De jetzige Finanzminister Hans Eichel reagierte darauf mit einer weiteren Erhöhung de Kindergeldes sowie der Anhebung steuerlicher Freibeträge.

Das eigentliche Problem, so der Darmstädter Richter, wird damit jedoch nicht gelöst Er weist nach, daß Steuersenkungen (auch die Kindergelderhöhungen sind nichts andere als Steuersenkungen) den Familien zur geringe Vorteile bringen. Die Lohn- un Einkommensteuer bringt "nur" 300 Milliarden Mark in die Staatskasse. Dagege beträgt das Aufkommen der indirekten Steuern (Mehrwertsteuer, Energiesteuern) rund 40 Milliarden Mark, durch die Sozialabgaben kommen sogar 700 Milliarden in die Staatskassen Und gerade in diesen besonders ergiebigen Abgabenbereichen wie den indirekten Steuern un den Sozialabgaben hat der Staat in den letzten Jahrzehnten die Schraube besonders star gedreht. Die Sozialabgaben haben sich im Vergleich zu den 60 Jahren verdoppelt. Und mi der Ökosteuer trifft die rotgrüne Koalition besonders die Familien. Die Verbesserunge im Kindergeld- und Einkommensteuerbereich werden schon durch die Ökosteuer wiede aufgefressen.

Von der Senkung der Rentenbeiträge durch die Ökosteuer bessert sich die Situation de Familien nicht, da Kinderlose im Vergleich genauso belastet werden. Richter Borchert "Familien tragen also überproportional zum Verbrauchsteueraufkommen bei, profitiere aber deutlich weniger davon. Mit dem verfassungsrechtlichen Auftrag zum Schutz der Famili läßt sich das schwerlich vereinbaren."

Der Richter macht dies an einem Beispiel deutlich: Ein Lediger, der 60 000 Mar brutto im Jahr verdient, behält davon netto 33 388 Mark übrig. Sei "Existenzminimum", also die Ausgaben für Essen, Kleidung und Wohnen, müsse davon mit 13 067 DM noch abgezogen werden, so daß dem Mann 20 321 Mark pro Jah zu freien Verfügung bleiben. Berechnet man auf dieser Basis das freiverfügbare Einkomme einer dreiköpfigen Familie, so sinkt dies auf 11 132 DM im Jahr. Diesen Betrag ha die Familie zum Beispiel für Urlaub, bessere Kleidung oder Anschaffungen wie Compute oder Auto zur Verfügung. Bei mehreren Kindern wird der Wert immer schlechter: Ein vierköpfige Familie hat dann noch 7437 Mark im Jahr, eine fünfköpfige 4284 Mark zu freien Verfügung. Borchert führt somit den Beweis für die im Volksmund längst bekannt These: Entweder Kinder oder regelmäßiger Mittelmeer-Urlaub.

Das Hauptproblem sieht der Richter darin, daß die exorbitant gestiegene Sozialbeiträge keine  Familienkomponente  haben. CDU-Sozialpolitike wie Norbert Blüm haben stets dagegen gehalten, daß Familien mit Kinder einen Rabatt be den Rentenbeiträgen erhalten. Für Blüm wäre das System dann zu unübersichtlich. Dabe ist die Familienkomponente in der Sozialversicherung kein Fremdwort: Bei den Krankenkasse werden nichtberufstätige Ehefrauen und Kinder beitragsfrei mitversichert, was nicht anderes als ein Beitragsrabatt ist. Auch in der Arbeitslosenversicherung werden Familie im Vergleich zu Kinderlosen besser behandelt. Arbeitslose Familienväter oder -mütte erhalten ein höheres Arbeitslosengeld als alle anderen.

Doch bei der Beitragserhebung in der Sozialversicherung gilt unverändert de Grundsatz, daß die Höhe des Bruttoeinkommens der Maßstab für die Beitragsfähigkei ist, nicht jedoch die Leistungsfähigkeit des Verdieners, die zum Beispiel wegen mehrere Kinder erheblich eingeschränkt sein könnte. Richter Borchert zitiert aus de Familienbericht der Bundesregierung, in dem Bonner Beamte – von Regierung un Politikern unentdeckt – formuliert hatten, das Beitragswesen und die Erhöhung de Beiträge zur Sozialversicherung haben sich in den letzten Jahrzehnten in eine "Struktur systematischer Rücksichtslosigkeit gegenüber den Familie entwickelt". Eine Lösungsmöglichkeit sieht der Richter darin, daß die Sozialbeiträge künftig den Lohn- und Einkommensteuern folgen: Da Familien wenige Steuern zahlen, wären für sie auch die Sozialbeiträge niedriger. Umgekehrt müßte Kinderlose, die ohnehin mehr Steuern bezahlen, auch mit höheren Sozialbeiträgen rechnen.

Vorübergehend hatte auch die CDU, in deren Familienkommissionen mutige Mitglieder sic sogar für eine Bevölkerungspolitik ausgesprochen hatten (aber an der ängstliche Mehrheit gescheitert waren), eine Senkung der Sozialbeiträge für Familien im Sinn. Doc die Forderung, vorübergehend sogar von Parteichef Wolfgang Schäuble erhoben, verschwan wieder im Papierkorb. Jetzt will die CDU bei der späteren Rente an Eltern mehr zahlen Doch wenn die Kinder groß sind, brauchen die Familien keine Sonderzahlungen mehr.


 
     
     
 
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