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Helmut Kohl - nein danke

 
     
 
Wenn am 7. November die Delegierten des CDU-Bundesparteitages in Bonn zusammenkommen, um nach verlorener Wahl ihre Wunden zu lecken, empfiehlt es sich, ihnen zu Beginn ein ganz besonderes Video auf der Großleinwand vorzuführen. Das Video nämlich, das dieselben tausend Delegierten zeigt, wie sie vor gut fünf Monaten am 18. Mai 1998 beim Parteitag in Bremen ihrem Spitzenkandidaten elf Minuten lang zujubelten und sich damit in das Guiness-Buch der Rekorde klatschten. Mit diesem "Signal aus Bremen" meinten sie, Helmut Kohl – und sich selbst – an der Macht und in den Ämtern halten zu können.

Ein solcher Video-Blick in den Spiegel würde nicht nur das Bild Helmut Kohls zeigen, sondern das einer Partei, die es sich 16 Jahre lang trotz kontinuierlicher Stimmenverluste von Wahl zu Wahl seit 1983 im "System Kohl" bequem gemacht hatte, bis schließlich aus 48,8 nunmehr 35,2 Prozent der Wählerstimmen
geworden sind. Warum wohl?

Nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus wurde die CDU als Antwort auf den braunen und den roten Totalitarismus gegründet. Seitdem erbrachte die CDU im Verein mit der CSU immer dann große Leistungen für Deutschland, wenn die drei geistigen Grundströmungen, auf denen sie aufbaute, in der personellen Repräsentanz und der sachlichen Politikgestaltung im Gleichgewicht zueinander standen: die christliche Soziallehre, die Ideen der Wirtschaftsliberalen und das Gedankengut der nationalen und christlichen Konservativen.

Nach Beginn der Kanzlerschaft Kohls blieb die versprochene geistige und moralische Wende aus. In der Gefangenschaft der FDP wurde die CDU von einer Partei, welche die Mitte und die demokratische Rechte umfaßt hatte, zu einer ausschließlich "mittistischen" Partei, die sich nicht nur dem Zeitgeist anpaßte, sondern obendrein "sozialdemokratisierte". Viele ihrer Stammwähler nahmen das mit zunehmendem Verdruß zur Kenntnis und wählten sie nicht mehr mit innerer Zustimmung, sondern nur noch als das "kleinere Übel". Nachdem durch die weltpolitische Entwicklung die kommunistische Gefahr als Disziplinierungsinstrument ausfiel, reichte selbst der "Wiedervereinigungs-Bonus" 1990 und 1994 nicht mehr aus, um die Wählerverluste zu stoppen.

Die Wiedervereinigung war für die CDU-Führung weniger ein nationales Ereignis als ein Schritt auf dem Weg "nach Europa". Sie wollte nicht erkennen, daß die deutsche Einheit für die Deutschen eine Sache der Herzen, die europäische aber eine des Kopfes ist. Der Kanzler schlug nicht sofort nach der Bundestagswahl 1990 seine Zelte in Berlin auf, sondern erst nach fast einem Jahrzehnt macht sich nun der Troß mühsam auf vom Rhein an die Spree, wo ein sozialdemokratischer Kanzler seinen Einzug halten wird. Statt dessen wurden 1990 die schwarz-rot-goldenen Fahnen schnell wieder eingesammelt und die liebgewonnene Fahrt ins Blaue mit dem Griff nach den goldenen Sternen Europas fortgesetzt.

Der britische Historiker Norman Stone meinte dazu, es sei ganz gewiß falsch, wenn die Deutschen als der größte Nationalstaat Europas, ohne die Probleme der Wiedervereinigung voll bewältigt zu haben, ihre Kraft damit erschöpften, Europa zu bauen und damit ihre eigene nationale Identität in einem Maße vernachlässigten, daß eine daraus führende Krise eines Tages für den Kontinent gefährlich werden könne. Der CDU-Führung hingegen fiel es erst ganz kurz vor der Bundestagswahl 1998 auf, daß der deutsche finanzielle Beitrag zur Europäischen Union seit Jahren "zu hoch" sei, während die Arbeitslosigkeit in der früheren DDR den Kommunisten massenhaft Wählerstimmen zutrieb.

Die CDU ließ es auch zu, daß zum Beispiel Heiner Geißler wichtige Führungspositionen innehatte, obwohl er öffentlich erklärt hatte, daß er sich bei dem Bekenntnis "Wir sind ein Volk" der friedlichen deutschen Revolutionäre des Jahres 1989 an das "Ein Volk – ein Reich – ein Führer" der Nationalsozialisten erinnert fühlte. Kein entschiedener Widerspruch kam auch gegen Goldhagens Neuauflage der Kollektivschuldthese, gegen Verhöhnung der Soldaten als Mörder und Verbrecher und gegen die Diskriminierung der deutschen Heimatvertriebenen.

So ist es beim Betrachten der Wählerwanderung bei der letzten Bundestagswahl kein Wunder, daß fast eine Million ehemaliger CDU-Wähler in die Wahlenthaltung ging, entweder als Nichtwähler oder durch die Wahl von sogenannten "Kleinstparteien". Bedenkt man, daß mindestens zwei Millionen Wähler die CDU "mit der Faust in der Tasche" gewählt haben, um Rotgrün zu verhindern, dann zeigt sich, daß die verbliebene "Stammwählerschaft" unter dreißig Prozent liegen dürfte und damit das ganze Ausmaß der Katastrophe.

Angesichts dieser Lage braucht die CDU Erneuerung im politischen und persönlichen Stil des Alfred Dregger der frühen siebziger Jahre nach dem Motto: sozial, nicht sozialistisch, national nicht nationalistisch und liberal nicht libertinistisch! Sie kann sich dabei auf eine Basis stützen, die auf die Meinung "Deutschland muß seine nationalen Interessen international stärker durchsetzen" mit deutlichem "Ja" antwortet – und zwar in den alten Bundesländern mit 77 und in den neuen mit 65 Prozent ! Das jedenfalls hat eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung herausgefunden. Nun gilt es, so zu handeln, wie die Basis es will.

 

 
     
     
 
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