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Immer weniger Touristen machen Ferien im südlichen Ostdeutschland

 
     
 
Ostdeutschland, Masuren, Worte, die bestimmte Bilder, j Szenarien abrufen, selbst bei Menschen, die noch nie etwas mit dieser Landschaft zu tu hatten. Da steigen Bilder einer verzauberten, verwunschenen Welt in uns auf, Bilder eine fernen Zeit, Bilder von Ruhe und Frieden für die gestreßten Seelen.

Wir sehen es plastisch vor uns, das tiefe, geheimnisvoll dunkle Grün der ausgedehnte Wälder, hören förmlich das Knacken des Geästes und sehen unvermittelt einen Elch in Gegenlicht stehen. Und Seen erscheinen uns, tausend Seen, silbern glitzernd in Sonnenschein, darüber zu Pustebacken
sich türmende Wolkengebirge am hohen östliche Himmel.

Kaum ein Land ist mit so festen Vorstellungen belegt, wie dieses. Das Schöne dara ist, daß es all das immer noch gibt, nur will es scheinbar kaum noch jemand sehen.

Die Entwicklung ist nachhaltig. Schon seit einigen Jahren kommen immer wenige Touristen aus dem "Westen" in das südliche Ostdeutschland, allein im vergangene Jahr waren es 20 Prozent weniger als noch in den vorhergehenden Jahren. Wird es in diese Jahr noch schlimmer?

Das fragen sich nicht nur die vielen Landsleute, die vom Tourismus leben, auc Offizielle des Allensteiner Bezirkes sind aufgeschreckt.

Jan Cymcyk, Direktor der Abteilung Tourismus im Marschallamt der Wojewodschaft such nach Ursachen.

Nicht nur das südliche Ostdeutschland allein träfe die touristische Rezession, auch in übrigen Land habe man im Jahr 1998 Einnahmeeinbußen von etwa vier Milliarden Mark in Tourismusbereich verzeichnet, erklärt er. Eine Region wie Ostdeutschland, die besonders au den Tourismus ausgerichtet und auf ihn angewiesen sei, träfe das natürlich auch extrem.

Da spielten einmal die überregionalen Gründe mit, denn das ganze polnisch Staatsgebiet gelte als unsicher, der Straßenzustand sei schlecht, die Grenzübergäng chronisch überlastet, die Bahnverbindungen würden immer unbequemer, erklärte Cymcyk de polnischen Zeitung "Gazeta Wyborcza". Es macht allerdings keinen Sinn, wie e darüber zu lamentieren, daß die Sommer in Masuren nicht mit der Sonnenscheingarantie de Mittelmeerländer daher- kommen. Mit einigen Regentagen muß man in Mitteleuropa hal rechnen. Es gibt allein in der Bundesrepublik Millionen, die sich deshalb nie von eine Urlaub in der norddeutschen Küstenregion oder in Skandinavien abhalten lassen würden.

All diese Minuspunkte gelten aber überregional, treffen gleichfalls für all die Gebiete zu, in denen der Rückgang der Gästezahlen längst nicht so dramatisch ist, wi in Ostdeutschland.

Die eigentlichen Rezessionsgründe sieht daher auch Cymcyk als hausgemacht an.

Für zu teuer hält er den Allensteiner Bezirk. Hohe Preise für touristisch Dienstleistungen ergäben sich zwangsläufig dort, wo die Saison wie im südliche Ostdeutschland nur drei, vier Monate dauert. In dieser kurzen Zeit müssen die Gelde eingefahren werden, die das Überleben in den übrigen langen Monaten sichern.

Es gäbe viel zu wenig Betriebe in der Reisebranche, die über das ganze Jahr Erholun in der Region anbieten, klagt Cymcyk.

Wenn man bedenkt, daß beispielsweise das Seebad Zoppot konsequent sei Winterurlaubsprogramm mit einem abgerundeten Spektrum von Ausflugs- un Sportmöglichkeiten bewirbt, ist das erstaunlich.

Sollte der sprichwörtliche ostdeutsche Winter touristisch nicht nutzbar sein? Ma denkt spontan an Skilauf in den Kernsdorfer Höhen oder bei Goldap, ein Netz vo Langlaufloipen in tief verschneiten Wäldern, Eissegeln auf zugefrorenen Seen, lang Eislauftouren im Stile holländischer Grachtenläufe.

Touristisch gesehen ist das südliche Ostdeutschland obendrein sehr unterschiedlic erschlossen, es gibt eine Art Angebotsballung um Sensburg, Nikolaiken und die großen See herum, andere ebenso reizvolle Gegenden sind fast nicht vorhanden auf der Tourismuskarte Es gibt dort nicht die nötige Infrastruktur, um den Reiseverkehr anzukurbeln.

Einer dieser weißen Flecken umgrenzt fast das ganze nördliche Gebiet. Dies ist ei Hauptgrund, warum es hier zwar pro Jahr 1,7 Millionen Grenzübertritte ins Königsberge Gebiet gibt, aber nur 750 000 Touristen wenigstens 24 Stunden im südlichen Tei Ostdeutschlands verbringen.

Den größten Teil dieser 1,7 Millionen machen Deutsche aus, die das nördlich Ostdeutschland besuchen, durch den südlichen Teil aber ohne weiteren Aufenthalt durchfahren Als Hauptgrund nannte Cymcyk polnischen Journalisten gegenüber das Fehlen jegliche touristischer Infrastruktur im Bartensteiner Raum.

Deutsche machen überhaupt den weitaus größten Teil der das südliche Ostpreuße jährlich besuchenden 750 000 Touristen aus. Sie bleiben im Mittel 4,6 Tage und gebe täglich 72 Mark aus.

Diese Deutschen sind aber nicht mit "normalen" Touristen vergleichbar. Si kommen, weil sie eine ganz besondere Verbindung zu diesem Land haben. Es ist ihnen relati egal, wie gut die Infrastruktur ist. Um sie braucht man sich nicht speziell zu bemühen sie werden auch weiterhin kommen.

Die Zahlen des Statistischen Amtes Allenstein belegen das, denn nur sieben Prozent de Deutschen kommen in organisierten Gruppenreisen, der Rest hält sich halb privat auf, be Verwandten, Bekannten oder macht Ferien auf dem Bauernhof bei Landsleuten. Nur, meh werden sie von allein auch nicht, ihre Zahl nimmt kontinuierlich ab, sie werden schlich irgendwann aussterben.

Die anderen muß man umwerben auf einem härter werdenden Markt, muß ihnen mehr biete als ein Bett und geregelte Mahlzeiten, das hat man auch in der Heimat erkannt und beginn in vielen örtlichen Entwicklungsplänen einen Schwerpunkt im Bereich Tourismus zu setzen.

Was fehlt, ist das Bewußtstein, wie hoch die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismu für einen ganzen Ort, eine ganze Region sein kann sowohl unmittelbar als auch mittelbar und nicht nur für einzelne direkt davon profitierende Betriebe. Zu diesem Schluß komm auch Gwidon Wojcik, Präsident der Polnischen Tourismus Organisation (POT).

Orte müssen am Reisemarkt geschlossen vorgestellt werden, Städte, am besten ganz Regionen, nicht einzelne Hotels oder Firmen, ist seine Devise.

Alle mit dem Tourismus einer Region verbundenen Firmen sollten sich zusammenschließen um durch diese gemeinsame Anstrengung den Touristen auf den heimischen Markt zu holen Dann könnten die Einzelbetriebe um dessen Geld konkurrieren, erklärte er de englischsprachigen Zeitung "Warsaw Voice".

Wenn man Ostdeutschland betrachtet, erkennt man, wie recht Wojcik hat. Allein da Polnische Fremdenverkehrsamt in Berlin erhält jährlich 25 000 Anfragen betreff Informationsmaterial und erfüllt diese Wünsche in der Regel prompt. Auch wenn man als Urlaubsgebiet explizit das südliche Ostdeutschland angibt, stellt man fest, daß etlich ostdeutsche Regionen nicht vertreten sind. Da kommt das Ermland bestenfalls mi Allenstein und Frauenburg vor, die Frische Nehrung kaum, das Oberland einzig in Gestal des Oberlandkanals.

Einzelne Hotelprospekte helfen da nicht, der Reisende möchte wissen, welch Sehenswürdigkeiten es in der Region gibt, was für Aktivitäten möglich sind, wie er die Natur intensiv erleben kann.

Wenn aus dem Interessenten ein Urlauber werden soll, müssen obendrein seine Sinn angesprochen werden, muß er gefühlsmäßig "verführt" werden. Da ist de Oberlandkanal als technisches Wunderwerk zwar ganz eindrucksvoll, mehr Interessente einfangen könnte man aber, wenn man sie in ein paar Absätzen erleben läßt, was fü ein einmaliges Naturerlebnis eine Fahrt auf dem Kanal ist.

Viele Prospekte haben obendrein den sprachlichen Charme eines Schüleraufsatzes, bra übersetzt, mit Fakten überfrachtet und holprig. Trotz der überwiegend guten Fotos, s etwas liest kein Mensch zu Ende. Leider trifft das auch auf die Werbeunterlagen etliche "Agrotourismus-Betriebe" von Landsleuten zu. Rund 2000 soll es in der Region j geben, aber lediglich 46 davon sind offiziell erfaßt und nur von denen erfährt de Tourist. Überhaupt erinnert das Wort Agrotourismus eher an Agroindustrie. Der Sloga "Ferien auf dem Bauernhof" spricht hingegen ganz anders an, weckt Bilder vo Idylle, Ruhe und Natur.

Im Rahmen der benötigten abgerundeten Konzepte machen auch spektakuläre Ideen wie die des Jochen Elsner vom Deutschen Verein Lyck Sinn. Für seinen Masurenhof in Sareike bemüht er sich um drei junge Bären aus Breslau. Ganz bewußt will er bei seine Vorstellung von Urlaub auf dem Lande die gängigen Bilder von Ostdeutschland ansprechen.

Nicht nur in Informationspaketen fehlen Broschüren und Ortspläne, auch vor Ort sin sie meist kaum zu erhalten. Herausgegeben von den Stadtverwaltungen werden sie au Kostengründen nur in geringen Stückzahlen aufgelegt und überwiegend an offiziell Delegationen und bei Tourismusbörsen verteilt. Sie verschwinden so fast ohne Effekt be notorischen Prospektsammlern, die meist nicht einmal konkrete Interessenten sind.

Womit man wieder bei der regionalen Promotion angelangt wäre, zu der es auch gehöre sollte, daß ein lokaler Zusammenschluß von Verwaltung, Gastronomen, Geschäftsleuten un Vereinen Veranstaltungen, Ausflüge und Aktivitäten in schlüssige Programme verpackt mit einer Portion Service abrundet und das Ganze dann gemeinsam finanziert und bewirbt.

Besonders die Deutschen Vereine könnten sich dabei hervortun. Wie in Osterode sin ihre Häuser vielfach längst in die Funktion von Informationszentren hineingewachsen.

Und Allenstein selbst? Es ist nicht zu übersehen, daß deutlich weniger touristische Vekehr in der Stadt ist, trotzdem haben die zuständigen Rathausstellen die Zahlen scho seit langem nicht mehr analysiert. Man sähe sich als Metropole, nicht als Touristenattraktion, betont Pressesprecher Wojciech Szalkiewicz der lokalen Zeitun gegenüber. Allenstein sei nun einmal nicht Zielstadt für seine Gäste, sondern nur ein Durchgangsstation für ein bis zwei Tage. Man könne nur versuchen, diese Reisenden ein zwei Tage länger in der Stadt zu halten, meint Szalkiewicz.

Mehr Gedanken macht sich in Allenstein der Rat des Innenstadtviertels und hat ei Programm zur Revitalisierung und Verschönerung der Altstadt entwickelt. Das angestrebt ehrgeizige Ziel, aus Allenstein ein "Krakau des Nordens" zu machen und die Stad damit zu vermarkten, bleibt allerdings mehr als fragwürdig.

Was Krakau besonders auszeichnet, ist die historische Kontinuität. Im Krieg kau zerstört blieb der Stadt ihre angestammte Bevölkerung, die ihr ihren ganz eigene Charakter gab.

Allenstein jetzt auf Krakau zu frisieren wäre Styling nach dem Baukastenprinzip Motto: wir bauen uns eine neue Altstadt aus allem, was uns irgendwo gefiel. Ein Stückche Krakau, ein Stückchen Warschau, alles, nur nicht die eigenen Geschichte, die der Stad ihr Gesicht gab. Doch erst dieses Gesicht, das mit der Stadt alt wurde und Falten bekam macht eine Stadt unverwechselbar.

 
     
     
 
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