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Kampf um die Mitte

 
     
 
Die in den letzten Wochen und Monaten sich vollziehende Selbstzerstörung des "System Kohl" in der CDU ist nicht, wie dies der Öffentlichkeit eingeredet wird, nur ein Folge undurchsichtigen Finanzgebarens einer Machtclique innerhalb der Partei, sonder vielmehr Ausdruck des Niedergangs eines inhaltlich entleerten politischen Systems, da seit langem schon zu einer tiefen geistigen, seelischen, moralischen und schließlic politischen Krise Deutschlands geführt hat.

Seit der 1982 versprochenen, doch ausgebliebenen Wende glaubte die CDU mi Krisenmanagement die Zukunft unseres Landes gestalten zu können. Aber das Unbehagen un die Unzufriedenheit
im Volk angesichts der fehlenden geistigen Führung der Politik un ihrer Fehler und Versäumnisse sind seitdem gewachsen; schlimmer noch, selbst de Machtverlust der CDU im Bund 1998 hat zu keiner tieferen Einsicht in die wirkliche Gründe ihrer Niederlage geführt, im Gegenteil: die kurzfristigen Erfolge bei mehrere Landtagswahlen haben solch eine notwendige erst recht noch verhindert. Doch die Krise is nicht nur eine der CDU, sondern unseres gesamten Parteiensystems.

Genau zu diesem Zeitpunkt nun hat der große Vordenker des politische Konservativismus, der Hohenheimer Sozialphilosoph Günter Rohrmoser, ein aufrüttelnde Buch "Kampf um die Mitte" auf den Markt gebracht. Der Titel erinnert an da berühmte Buch von Hans Sedlmayr "Verlust der Mitte" (1948). Das ist sicherlic kein Zufall. Rohrmoser hat eine Streitschrift für eine neue politische Mitte, gegen die bleierne Stimmung in Deutschland und wider die falschen, ständig von der Geschicht widerlegten Propheten, die immer noch die falschen Wortgeber und Interpreten unserer Zei sind, geschrieben. Er bricht nicht – dies vorweg – eine Lanze für die Rückkeh zu einer engbebrillten christlich-konservativen Weltsicht, sozusagen vor der Aufklärun verortet, sondern ficht eine Klinge für die postmoderne Gegenwart und Zukunft, die da Christentum als Grundlage aller Politik nötiger denn je bedarf, nachdem die Wirkmächt der Aufklärung verbraucht sind und den Menschen in eine neue Unmündigkeit hinei entlassen.

Das Buch ist aus Vorträgen des wortgewaltigen Philosophen entstanden und zeichnet sic daher durch die unverwechselbare Frische und Allgemeinverständlichkeit der Rede aus, die bei Philosophen nicht mehr immer selbstverständlich ist. Gewisse inhaltlich Überschneidungen waren daher nicht zu vermeiden, verdeutlichen aber um so mehr da Anliegen des Autors und erleichtern den geistigen Nachvollzug.

Um was geht es? Welche Therapie schlägt Rohrmoser vor, welchem Politik- un Staatsverständnis redet er das Wort?

Die Analyse der gegenwärtigen Lage trifft ins Schwarze. Rohrmoser beschreibt un erklärt deutlich die Folgen des überzogenen Liberalismus und des kollektivistische Sozialismus. Die sozialistische Ideologie, die von den Grünen über die PDS bis hin zu CDU die Parteienlandschaft präge, zerstöre die Freiheit, und der überzogen Liberalismus, die "atomistische Revolution" (Nietzsche), nur dem Individuu verpflichtet, zerstöre den Gemeinsinn. Das Gemeinwohl bleibe auf der Strecke.

Das gesellschaftliche Modell der Gegenwart, das sich auf Liberalismus und Sozialismu als Wertpfeiler stütze und von einem kontinuierlichen Wirtschaftswachstum als Legitimation allen staatlichen Handelns ausgehe, habe in der heutigen Form keine Zukunf mehr, weil seine geistespolitischen Grundlagen verbraucht seien. Das kollektiv Wohlstandsdenken, das das Individuum mit seiner Vielzahl von Rechten verbinde, haben de Bürger nämlich vereinsamen lassen, weil es die Gemeinschaftstugenden habe verkümmer lassen, die mit der Bejahung von Pflichten verbunden seien. Da unser Staat innerlic erschöpft und unfähig sei, die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft aufzunehmen flüchte er in eine selbstzerstörerische, immer geistloser werdend Vergangenheitsbewältigung, in eine immer stärkere Bürokratisierung und "nac Europa", um dort die harten Fragen der Politik lösen zu lassen. Die EU abe entwickele sich immer mehr zu einem bürgerfernen, zentralistischen Konstrukt. Weder mi zentralistischen noch mit bürokratischen Methoden aber könne ein Miteinander de Nationen in Europa, das sich jenseits von Kommerz verstehe, erreicht werden.

Rohrmoser sieht die Antwort in der Ausformulierung und Durchsetzung eines historisc und christlich begründeten modernen Konservativismus. Die Notwendigkeit, christlich un historisch, konservativ und marktwirtschaftlich zu denken, könne man nirgendwo besse ausmachen als dort, wo die Völker durch die Ausrottung der Werte durch de jahrzehntelangen Sozialismus und dessen Zusammenbruch eine Neufundierung geistiger Wert dringender denn je bedürfen. Aber ohne die christliche Fundierung gebe es die Gefahr de nationalistischen Überschwangs. Den aber gelte es zu verhindern, um eben die demokratischen Freiheiten zu bewahren. Moderner Konservativismus bedeute aber nicht da Vermeiden notwendiger Veränderungen, sondern im Gegenteil die konsequente und kompetent Veränderung von Strukturen, um die Kultur und das Volk, auch als ethnische Gruppe, zu bewahren.

Rohrmoser weiß natürlich, daß eine Rückkehr zum "alten Konservativismus" der stillschweigend auf dem Christentum und der Aufklärung aufbaute und ansonsten sic einer blühenden Wirtschaft verbunden fühlte, vor dem Hintergrund des Abschreckungsbilde des sowjetischen Sozialismus, nicht möglich und auch nicht wünschenswert ist. Diese "Strukturkonservativismus" sei in 16 Jahren CDU-Herrschaft für die schwere Bürden der Gegenwart verantwortlich: Schrankenloser Egoismus, Massenarbeitslosigkeit organisierte Kriminalität, ungezügelte Einwanderung kulturfremder Völker Geburtenabsturz, Entchristlichung des Volkes und ideologisch verblendeter Selbsthaß au die eigene Nation, in Vollzug einer durch die Antifa vorgegebene Vergangenheitsbewältigung. Auch die Ausdehnung der antibürgerlichen "Grünen" sei ein Spätprodukt der 68er Kulturrevolution.

Was setzt er dagegen an? Rohrmoser verficht die Wiederkehr des geschichtlichen Denkens die Wiederherstellung der Familie und eine entsprechende Kinder- und Familienpolitik. E plädiert leidenschaftlich für die Verschlankung des drastisch überwucherten Staates vor allem aber für die konsequente, heute in weiten Teilen nicht mehr gegeben Durchsetzung des Rechtsstaates, durch die unbedingte Wahrnehmung seines Gewaltmonopols Der Staat könne aber nur eine geistige Legitimation beanspruchen und einfordern, wenn de Bürger sich mit ihm identifiziere, was nur möglich sei, wenn der Staat ein christlic gegründeter Rechtstaat sei, der die Demokratie als Verbindung von Nation und Staa verstehe.

Weil aber nur das Christentum den inneren Ausgleich zwischen der Freiheit de Einzelmenschen und der Gemeinwohlverpflichtung darstellte, was weder Liberalismus noc Sozialismus vermögen , sieht Rohrmoser im Christentum die unverzichtbare Grundlag unserer Kultur. Dann habe der wertgebundene Staat auch das Recht, ethische Forderungen a die Gemeinschaft und an den einzelnen Staatsbürger zu stellen, denn nur im Gleichgewich von Pflichten und Rechten könne ein Volk die Zukunft gewinnen. Es versteht sich, daß in diesem Erneuerungsmodell eines christlichen, patriotischen modernen Konservativismus de Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft ein zentraler Platz zukommt, wobe "sozial" vor allem der Unternehmer zu nennen sei, der Arbeitsplätze schaffe.

Der moderne Konservativismus lehnt einen "dumpfen Nationalismus" ab; e bekennt sich aber zu einem aufgeklärten Patriotismus, der die besten Werte un Traditionen unseres Volkes bewahren will und muß. So könne man ein übersteigende Nationalbewußtsein als Antwort auf den derzeitigen Zeitgeist verhindern. Denn ei aggressiver und zerstörerischer Nationalismus sei immer auch die Folge der Verleumdung der Verdrängung und der Unterdrückung der Idee der Nation gewesen (Seite 65). Dan würden wir auch mit Würde und Anstand mit den uns benachbarten Nationen und mit den in Deutschland wohnenden Fremden zusammenleben können.

Ohne Religion gebe es keine Sittlichkeit, dies habe schon Dostojewski festgestellt Rohrmoser stellt fest, daß an der Frage der Religion sich alles entscheiden werde, so wi auch jeder um seine eigene Erneuerung bemühte Konservativismus in die verhängnisvolle Bahnen zurückfallen werde, wenn er nicht begreife, daß die Ideologien des 20 Jahrhunderts, Nationalismus, Sozialismus, Kommunismus, Nationalsozialismus Fäulnisprodukte eines überzogenen Liberalismus und Kapitalismus letztlich des Nihilismu der spätbürgerlichen Gesellschaft seien. Ein moderner Konservativismus werde erst dan also eine wirkliche Chance haben, wenn wir die Ursachen der modernen Ideologien in de zutiefst atheistischen und dann nihilistischen Aufklärung erkennten. Ob es gelingen wird einen modernen religiös und geistig tiefgegründeten Konservativismus nicht nur zu formulieren, sondern auch in den Blutkreislauf des politischen Systems, darüber hinau des ganzen Volkes wieder einzuführen, ist eine Frage, die unbeantwortet bleibt. Die Träger solch einer Erneuerung sind kaum vorhanden; sie müßten sich aus ihre Wirkungslosigkeit, aus ihrer Randexistenz befreien und nachhaltig in den Mittelpunkt alle politischen Gestaltens und der Kultur vordringen.

Rohrmosers Werk ist eine tiefgegründete souveräne Analyse unserer gesellschaftliche Gegenwart und eine weit in die Zukunft reichende Synthese. Es blendet – diese Kriti muß allerdings angebracht werden – die internationalen Einflüsse un Wirkungsmechanismen auf Deutschland weitgehend aus, die seit 1945 unser Land in vie größerem Ausmaß steuern, als der Allgemeinheit bewußt wird, so zum Beispiel die au den USA reimportier- te verhängnisvolle "Frankfurter Schule". Den dadurc bedingten kulturellen und geistigen Souveränitätsverlust Deutschlands, der erst die Voraussetzungen für den "Erfolg" der 68er Kulturrevolution schuf, in Wirkungsgefüge unseres politischen Systems zu verorten, wäre ein dringendes Erforderni an eine erweiterte Auflage dieser Streitschrift, die man ansonsten jedem Politiker als Vademecum an die Hand geben sollte. Sie ist, jedem Zweifler sei dies gesagt, kein Begründung für die Rückkehr zu reaktionären Denkformen, sondern versteht sich als Schrift für die Wiedergewinnung des christlich gegründeten, modernen Staates, der in Gleichgewicht von Pflichten und Rechten dem Bürger wie der Nation das größtmöglich Maß an Freiheit in Bindung sichert, jenseits aller Ideologien. Albrecht Jebens

Günter Rohrmoser: Kampf um die Mitte – Der moderne Konservativismus nach de Scheitern der Ideologien, München, Olzog Verlag, 1999, ISBN 3-7892-8023-2, 352 Seiten, 4 Mark

 
     
     
 
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