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Radikalsozialist in der Medienzentrale

 
     
 
Bundesverteidigungsminister Volker Rühe wirbt demonstrativ um den Eintritt von politisch Linken in die Bundeswehr. Nur so könnten rechtsradikale Gesinnungsträger in der Armee (oder administrative Ahnungslosigkeit, was die politische Überzeugung von eingeladenen Referenten betrifft) wirksam bekämpft werden.

Politische  Ahnungslosigkeit scheint aber inzwischen zum Charakteristikum vor allem für jenen Bereich der Bundeswehr geworden zu sein, der sich auch mit der staatsbürgerlichen Bildung der Soldaten beschäftigt. Ein neuer Fall "Roeder", dieses Mal jedoch von links und ungleich höher und einflußreicher angesiedelt – nämlich in der "Informations- und Medienzentrale des Streitkräfteamtes der Bundeswehr – belegt das auf eindringliche Weise.

Es ist der Fall des Christoph Butterwegge (47). Der deutsche Hochschullehrer hat nicht nur 1995 einen umfangreichen Text über "National
ismus, Rassismus und Rechtsextremismus" im offiziellen "Reader Sicherheitspolitik – Die Bundeswehr vor neuen Herausforderungen" (Ergänzungslieferung 6 u. 7/95 Teil I) veröffentlicht. Butterwegge publiziert vielmehr spätestens seit 1977, was den Verantwortlichen des Streitkräfteamtes der Bundeswehr offenbar vollkommen entgangen ist, auch in bekannten linksextremistischen Verlagen wie "Pahl-Rugenstein" (DKP-nah), "das europäische buch" (SEW-nah) oder im Magazin "frontal" des linksradikalen "Sozialistischen Hochschulbundes". In seinen dort aufgegelegten Büchern, Aufsätzen und Sammelbänden legitimiert, aktualisiert oder modernisiert Butterwegge im Gewande staatstheoretischer und gesellschafskritischer Analysen u. a. marxistisch-leninistische Umsturztheorien. So zum Beispiel in seiner 1977 bei "Pahl-Rugenstein" erschienenen Studie "Probleme der marxistischen Staatsdiskussion".

Vor allem im dritten Abschnitt dieser Arbeit referiert und analysiert der Autor in eindeutig verteidigender Absicht ausgerechnet Lenins Auslegung des Marxschen Begriffs einer "Diktatur des Proletariats". Der Diktator und erste kommunistische Massenmörder Lenin wird bei Butterwegge zu einem Politiker, dem "die Forcierung der sozialen Emanzipation am Herzen lag" und dessen Diktatur-Begriff "vollendete, vollständige Demokratie" meine. Lenins "Zielsetzung der Zerschlagung des wichtigsten bürgerlichen Machtzentrums" habe übereingestimmt mit "seinem Verlangen nach Heranziehung breitester Volksschichten zur Leitung des Staates".

"Zentrales Anliegen" seiner "Arbeit", so Butterwegge zur Strategie seines damaligen Versuchs, sei es, "die Darstellung der Staatskonzeption Marxens, Engels’ und Lenins mit der gegenwärtigen marxistischen Staatsdiskussion zu verbinden". Das richtete sich in der Studie gegen reformistische Staatstheorien in der SPD und anarchistische Konzeptionen in der linksradikalen Studentenbewegung gleichermaßen. Aber nicht, um die festgestellten Widersprüche und Unterschiede zu zementieren, sondern um sie zu überwinden. Denn "im Zeitalter des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus", so Butterwegge in vollendeter SED-Terminologie, sei "die Staatsfrage ..., wie Lenin bemerkt" habe, "‘zum Mittelpunkt aller politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart geworden’".

In Butterwegges 1979 im "verlag das europäische buch", der dem West-Berliner SED-Ableger SEW zugeordnet war, erschienenen Dissertation "SPD und Staat heute", spricht der Autor angesichts der gesellschaftlichen Lage in der damals sozialliberal regierten Bundesrepublik von "historische(n) Parallelen zur Situation im präfaschistischen Deutschland". Zustimmend verwendet er zur Kennzeichnung des bundesrepublikanischen Staatswesens Propagandaformeln aus dem "Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED", nach deren Logik die "BRD" ein "zum ‘Wohlfahrtsstaat’ hochstilisierter imperialistischer Staat" ist.

In einer Nachbemerkung zu der über 600 Seiten starken Arbeit heißt es in der damaligen DKP-Kampagnen-Sprache gegen die sogenannten "Berufsverbote": "Heute in der BRD aus marxistischer Sicht und in kritischer Absicht die Staatsfrage aufzuwerfen, heißt sich der Repression auszusetzen, heißt, den bestehenden, bürgerlichen Staatsapparat herauszufordern, heißt, sich den Zugang zum öffentlichen Dienst zu versperren, weil linke Kritik verpönt ist, Systemgegner rigoros, wenngleich mit mehr oder weniger subtilen Methoden verfolgt werden, Berufsverbote nicht zuletzt diejenigen treffen, deren Opposition gegenüber dem westdeutschen Imperialismus und seinem Staat wissenschaftlich fundiert ist. Daß Butterwegge der "Zugang zum öffentlichen Dienst" trotz seiner linksextremistischen Publikationen in DKP-Verlagen, die von der SED finanziert, vom Staatssicherheitsdienst kontrolliert und vom Verfassungsschutz regelmäßig in dessen Jahresberichten aufgeführt wurden, ganz und gar nicht versperrt blieb, sondern er bis heute seinen ganz persönlichen erfolgreichen "langen Marsch durch die Institutionen" absolvierte, belegen vor allem die biographischen Angaben in seinen zahlreichen Publikationen.

1984, keine fünf Jahre nach der Annahme seiner Doktorarbeit durch den Promotionsausschuß der Bremer Universität im Sommer 1979, ist Butterwegge Lehrbeauftragter an den Universitäten Duisburg und Münster. Später tritt er als Privatdozent an der Universität Bremen in Erscheinung und als Mitarbeiter der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung. Dann erhält er Lehraufträge an den Fachhochschulen Fulda, Hamburg und Magdeburg. Danach weist ihn das "Personal- und Vorlesungsverzeichnis" der Fachhochschule Potsdam als "Vertreter der Professur für Sozialpolitik, Politikwissenschaft" aus. Vor wenigen Wochen schließlich gab Butterwegge in einem Kollegenrundbrief bekannt, daß er "den Ruf auf eine C-4-Professur für Politikwissenschaft an der Universität Köln angenommen" habe.

Als Geburtshelfer dieser akademischen Karriere erwies sich ein Kreis von Sozialwissenschaftlern, die Butterwegge im Nachwort zu seiner Dissertation von 1979 dankend erwähnt. Es handelt sich dabei um bekannte Namen aus jener von linksradikalen Sozialdemokraten bis zu offen orthodoxen DKP-Marxisten reichenden westdeutschen Sozial-Wissenschaftlergruppe, die seit den frühen 60er Jahren vor allem im akademischen Raum ein radikales gesellschaftsveränderndes Aktionsbündnis gegen die militärische Nato- und politische Westbindung der Bundesrepublik Deutschland periodisch zu inspirieren und organisieren versuchten.

Im Fall Butterwegge vereinigten sich 1979 nicht nur die einflußreichen linksradikalen Politologen, Sozialwissenschaftler und Pahl-Rugenstein-Autoren  Wolfgang Abendroth, Frank Deppe, Jörg Sandkühler, Jörg Huffschmid mit Detlev Albers, dem heutigen Rektor der Bremer Universität und amtierenden SPD-Landesvorsitzenden. Mit von der Partie war auch der damalige Leiter des Frankfurter DKP-"Instituts für Marxistische Studien und Forschung", Josef Schleifstein.

Schleifstein selber war nach 1945 hoher KPD-Funktionär, der 1951 in die DDR ging, von 1958 bis 1963 im Ost-Berliner  Schein-Parlament Volkskammer saß, danach ins ZK und Politbüro der im Ost-Berliner Exil sitzenden KPD aufrückte, um 1968 in die Bundesrepublik zurückzukehren.

Daß die geistige Zuwendung des  orthodoxen DKP-Marxisten Schleifstein im Rahmen der Promotion Butterwegges kein Zufall war, kann man an der sich anschließenden jahrelangen Zusammenarbeit der beiden ablesen: Butterwegge schrieb ebenso Beiträge für das Jahrbuch des DKP-Instituts – so. z. B. in Nr. 7/1984 zusammen mit dem ehemaligen SHPO-Funktionär Wolfgang Zellner über "eine neue Nato-Strategie in der SPD" –, wie er in der Festschrift zum 65. Geburtstag des DKP-Theoretikers Schleifstein 1980 einen gemeinsam mit dem DKP-Funktionär Heinz Jung verfaßten Beitrag veröffentlichen ließ.

Die Wochenzeitung der DKP "Unsere Zeit" meldete am 2. Dezember 1983 sogar, daß Butterwegge Mitglied des neugebildeten "Wissenschaftlichen Beirates" des Instituts sei. Zwei Jahre später referierte Butterwegge auf einer internationalen Konferenz des Instituts zum Thema "Intelligenz, Intellektuelle und Arbeiterbewegung". Zuvor tauchte er, laut "Unsere Zeit" vom 5. Dezember 1984, auch als Referent des DKP-Schulungsvereins "Marxistische Arbeiterbildung" (MASCH) auf.

Butterwegges DKP-nahe Wissenschaftlerkarriere begann früh als linkssozialdemokratisch getarnter publizistischer Aufstieg im "Sozialistischen Hochschulbund" (SHB). Der durfte sich zwar bis 1972 mit dem Adjektiv sozialdemokratisch schmücken , mußte es dann jedoch auf einen Gerichtsbeschluß hin, den das Präsidium der SPD bewirkt hatte, ablegen. Der SHB bezeichnete sich als "Kraft der fortschrittlichen Sozialdemokratie" und beschwor die "prinzipielle Bündnisverpflichtung" gegenüber Kommunisten.

Zahlreiche Artikel im SHB-Zentralorgan "frontal" aus der Feder Butterwegges zeigen ihn auch in den 80er Jahren als einen eindeutig radikalmarxistischen Unterwanderungsstrategen.

"Worum es wirklich geht", schreibt er in "frontal 3/1981", "ist die Formierung einer marxistischen Fraktion innerhalb der Sozialdemokratie, die einen Kern radikaler Veränderung von Organisation, Politik und Programmatik der Gesamtpartei darstellt und um die sich ein Kreis linksoppositioneller Kräfte Führungs- und Systemkritiker zentriert."

Ein gutes Jahr zuvor, im Februar 1980, schreibt Butterwegge am selben Ort vollkommen unverblümt, was er sich für eine gesellschaftliche Alternative zum parlamentarischen, gewaltengeteilten Rechtsstaat vorstellt: "Eine ‘Linke’, sich dem Arsenal der Bourgeoisie entziehende Version des Pluralismus kann es nicht geben, sie würde der Konterrevolution Tor und Tür öffnen, den Interessen des Proletariats abträglich sein. Wer dem sozialistischen Staat, der sich von seinem Vorgänger grundlegend unterscheidet, nicht das Recht zugesteht, im Rahmen der gültigen Gesetze Gewalt anzuwenden, um die Machtstellung der Arbeiterklasse zu verteidigen, verläßt den Boden des wissenschaftlichen Sozialismus."

In Butterwegges Publikationen der letzten Jahre findet man solche radikalmarxistischen Thesen zur Gesellschaftsveränderung  nur noch in homöopathischen Dosen, wenngleich man sie nach wie vor entdecken kann. Das hat auch damit zu tun, daß Butterwegge sich seit Mitte der 80er Jahre wissenschafts- und politik-publizistisch vornehmlich auf neuen Gesellschaftsfeldern tummelt, die aber nur auf andere Weise Spielfelder für realpolitische Umsetzung alter Bündnisstrategien sind: Friedensbewegung, Rüstungskonversion, Rechtsextremismus. Vor allem als Herausgeber von Sammelbänden zu den genannten Themenbereichen tritt Butterwegge nun in Erscheinung; ein unermüdlicher Scharnierfunktionär der Aktionseinheit zwischen jenen linksradikalen und linksextremistischen Kräften der Republik, die einen anderen Staat wollen.

Folgerichtig kann man Butterwegge seit der Wende regelmäßig auch als eine Art wissenschaftlichen Berater der SED-Nachfolgeorganisation PDS entdecken. Experten auf dem Gebiet der Erforschung linksextremistischer Parteien liegt seit kurzem ein vertrauliches PDS-Papier vor, das die Namen von wissenschaftlichen Beratern des PDS-Bundesvorstandes enthält, darunter befindet sich auch der von Christoph Butterwege. Auf dem "Europäischen Antirassismuskongress" des Bundesvorstandes und der PDS/Linke Liste im Bundestag 1992 in Berlin hielt Butterwegge jedenfalls unter dem Titel "Strategien gegen den Rechtsextremismus" eines der Referate. Gleich zu Beginn behauptete er darin, daß der Rechtsextremismus in der Bundesrepublik "keine Randerscheinung" sei, sondern "im Machtzentrum der Gesellschaft" wurzele. Ebenso sei der "Rassismus" hierzulande "ein staatliches Macht- und gesamtgesellschaftliches Gewaltverhältnis". Es gäbe einen "institutionellen bzw. strukturellen Rassismus". Rechtsextremismus und Jugendgewalt seien ein "Resultat der modernen Leistungsgesellschaft". Man müsse "diese grundlegend verändern", um "jene besiegen und beseitigen zu können". Denn "für immer überwinden" ließen sich "Rassismus und Nationalismus nur in einer neuen Weltordnung, die nicht mehr auf wirtschaftlicher Konkurrenz, Ausbeutung und Unterdrückung" basiere, womit Butterwegge wieder bei den marxistisch-leninistischen Phrasen seiner Frühzeit angekommen wäre.

Im Januar 1998 konnte man in der PDS-Mitgliederzeitschrift  "Disput" einen Beitrag über die allerneueste Form einer Zusammenarbeit von linksradikalen Wissenschaftlern und Politikern aus der PDS, SPD und den Grünen lesen. Darin heißt es: "Relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit gibt es seit Anfang 1995 ein funktionierendes Diskussionsforum linker Sozialdemokraten, Grüner und PDSler. Es handelt sich dabei um ein "Crossover-Prozeß" genanntes "theoretisches und politikvorbereitendes Forum", das von den Theoriezeitschriften "spw – Zeitschrift für Politik und Wirtschaft" (Linke SPD), "Andere Zeiten" (Grüne) und "Utopie kreativ" (PDS) getragen wird. Beiträge von Butterwegge finden sich sowohl in der SPD- wie in der PDS-Zeitschrift.

Auf verschiedenen Arbeitstagungen von "Crossover" ging es, wie schon vor Jahren in anderen Formationen mit derselben Zielvorstellung, um die Formulierung eines "radikalen Reformprojektes".

Einer, der in diesem Rahmen seine neuesten Begründungsmuster abliefert, die zugleich altvertraute marxistische Denunziationsmuster der Bundesrepublik sind, heißt Christoph Butterwegge. Im selben Jahr, in dem er dem Bundeswehr-Streitkräfteamt unter dessen christdemokratischen Dienstherren Volker Rühe einen "Experten"-Text über "Nationalismus, Rassismus und Rechtsextremismus" schrieb, bediente er auch das PDS-nahe Theorieorgan "Utopie kreativ" mit seinem Essay: "Wie der Liberalkonservatismus den Rechtsextremismus ‘entsorgt’ und für sich nutzt."

Mit "Liberalkonservatismus" ist natürlich die Partei des Verteidigungsministers gemeint, und sie, "die gemäßigte Rechte", die "seit 1982 regiert und zehn Jahre ein Klima sozialer Kälte produziert" habe, macht der marxistische Politologe im Dienst der Bundeswehr für den "gefährlichen Höhenflug der extremen Rechten" verantwortlich.

Daneben attestiert er der Regierung, der Volker Rühe angehört, auch noch "Großmachtambitionen" und eine "Militarisierung der Außenpolitik".

Was in den Augen Butterwegges dagegen allein hilft, sind nach wie vor radikale "Gesellschaftsveränderungen auch gegen mächtige Interessengruppen". Was man noch immer darunter zu verstehen hat im Fall Butterwegge, sagt der Auszug eines Geheimdienstdossiers: "Das Thema, die Sozialdemokratie reif für ein Bündnis mit Kommunisten zu machen, treibt den Kommunisten B. auch weiterhin um."

Christoph Butterwegge soll 1975 angeblich aus der SPD ausgeschlossen worden sein. "Der Ausschluß", so jenes Dossier an anderer Stelle, "hatte wohl keinen Bestand, denn Ende der 80er Jahre geriert sich B. wieder als Mitglied der SPD."

 
     
     
 
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