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Wien: Rauhes Wetter über den Alpen

 
     
 
Der Wahlerfolg der FPÖ unter Jörg Haider hat vor allem im europäischen Ausland un in Israel massive negative Reaktionen ausgelöst. Die gesamte Palette aller Vorwürf gegen das "Nazi-Land" Österreich wurde aufgeboten, wobei der israelisch Außenminister Lewy sogar mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen drohte, sollt Haider in der künftigen Regierung vertreten sein. Verantwortlich für diese Reaktione sind eine ganze Reihe von Gründen, die mit der österreichischen Geschichte, mit Haider aber auch mit den Ländern und deren Medien selber zu tun haben, aus denen die Kritik vo allem kommt.

Was Österreich betrifft, so bezahlt das Land nach wie vor für die nach 1945 mi Zustimmung der Alliierten aufgebaute "Opfertheorie", die es der Zweiten Republi rasch gestattete, aus dem Schatten des Dritten Reich
es herauszutreten. Die Tatsache, da nach dem Krieg in Österreich immerhin fast 50 Todesurteile ge- gen NS-Kriegsverbreche vollstreckt wurden, konnte nichts daran ändern, daß bis zur Affäre um den spätere Bundespräsidenten Kurt Waldheim die Opfertheorie verwendet wurde, um Mehr- ode Minderbelastete in das System der Zweiten Republik und da wiederum vor allem innerhalb vo SPÖ und ÖVP zu integrieren, und um sich als neutrales Land vom geteilten Deutschlan abzugrenzen.

Die Bildung der "österreichischen Nation" und die damit verbundene Leugnun der überproportionalen Beteiligung an NS-Greueltaten steht in einem direkten Zusammenhan mit der Nationsbildung, die von den Alliierten auch bewußt akzeptiert wurde, während in Bundesdeutschland, beginnend mit dem Auschwitz-Prozeß, eine umfassende Aufarbeitung de Vergangenheit einsetzte.

Einen weiteren negativen Punkt, der Österreich nach wie vor angelastet wird, bildet die Ära Bruno Kreisky. Kreisky, aus liberalem, deutschbewußtem Elternhaus stammend lehnte persönlich die Vertreter des sogenannten "Austrofaschismus" imme stärker ab als die kleinen oder größeren Nationalsozialisten. So war in Kreiskys erste Kabinett sogar kurzfristig ein Angehöriger der Waffen-SS als Sozialminister vertreten Außerdem stellte sich Kreisky schützend vor den FPÖ-Bundesparteiobmann und SS-Man Friedrich Peter, dem Simon Wiesenthal Kriegsverbrechen vorwarf. Die Vorgängerorganisatio der FPÖ, der VdU, war zwar zunächst von zwei NS-Gegnern gegründet worden, wurde aber in weiterer Folge klar von "Ehemaligen" dominiert. Die FPÖ unter Peter hatt Kreiskys Minderheitsregierung im Jahre 1970 unterstützt und sollte 13 Jahre später nac dem Verlust der absoluten Mehrheit gemeinsam mit der SPÖ eine kleine Koalition bilden die 1986 von der SPÖ-ÖVP-Koalition ablöst wurde. Negativ zu Buche schlug auch Kreisky Nahost-Politik und die damit verbundene Aufwertung der PLO.

1986 war die "Insel der Seligen" mit der Waldheim-Affäre am Ende, die Opfertheorie brach wie ein Kartenhaus zusammen. Die Affäre zeigt aber auch, in welche Ausmaß bis heute aus rein innenpolitischen Motiven das Ansehen Österreichs im Auslan geschädigt wird. So gilt es nun als weitgehend gesichert, daß es Vertreter der SP waren, die dem Ausland Material gegen den früheren UNO-Generalsekretär zuspielten, u dessen Wahlchancen zu schmälern und die des eigenen Kandidaten zu erhöhen. Der Schu ging angesichts der österreichischen Mentalität und dank der Kronen-Zeitung bekanntlic nach hinten los. Parallel zur Waldheim-Affäre vollzog sich der Aufstieg der Haider-FP und dessen zunehmende Ausgrenzung durch die Vranitzky-SPÖ. Um die ÖVP von eine Koalition mit der FPÖ abzuhalten, wurde und wird immer wieder auf das "braun Image" der FPÖ verwiesen, eine Taktik, die bisher erfolgreich war, nicht zuletz dank inakzeptabler Aussagen, die Jörg Haider machte. Sein "Sager" von de "ordentlichen Beschaffungspolitik des Dritten Reiches", der zu seiner Abwahl als Kärntner Landeshauptmann führte, seine kritiklose Verherrlichung der Waffen-SS (di ebenso falsch ist wie deren pauschale Verurteilung) sowie seine Bezeichnung der KZs als "Straflager" haben wesentlich dazu beigetragen, das Image der FPÖ nachhaltig zu schädigen.

Hinzu kommt der Umstand, daß Haider offensichtlich ein ausgezeichneter Taktiker abe ein schlechter Stratege ist. So verscherzte es sich Haider mit der deutschen FDP, wa prompt zum Ausschluß aus der Liberalen Internationale führte, in die das nu gescheiterte Liberale Forum nach dessen Abspaltung von der FPÖ aufgenommen wurde Außerdem setzte Haider in der FPÖ aus innenpolitischen Motiven einen zunehmen EU-kritischer werdenden Kurs durch, der das Bild der Partei in Europa weiter verdunkelte Diese mangelnde internationale Verankerung führte auf EU-Ebene nach Österreich EU-Beitritt und nach den ersten Europawahlen dazu, daß die freiheitlichen Abgeordnete bis heute von keiner Fraktion akzeptiert wurden. Zwar schwor Haider de Deutschnationalismus persönlich ab und versuchte auch, sein Image in den USA zu verbessern. Die EU wurde in dieser Imagekampagne jedoch sträflich vernachlässigt, ei strategischer Fehler, der sich nun rächt, wobei Haiders rasche Kurswechsel in Grundsatzfragen (EU, nationales Bekenntnis, Haltung zur Nato) nicht gerade dazu beitragen seine "Handschlagsqualitäten" zu verbessern. Auf der anderen Seite ist ih daher auch zuzutrauen, neuerlich zu einem (kritischen) Befürworter der Osterweiterung de EU zu werden, sollte dies ein Preis für die Regierungsbeteiligung sein.

Was das Ausland und dessen Medien betrifft, so sind gründliche Recherche un differenzierte Berichterstattung nur in seltenen Fällen als journalistische Tugen anzutreffen. Daher kommt bei einer Bewertung des jüngsten Wahlergebnisses insbesondere zu kurz, daß die meisten FPÖ-Wähler vor allem von der jahrzehntelangen SPÖ-ÖVP-Dominan genug haben und nun einen Wechsel wollen. Hinzu kommt bei der ausländische Berichterstattung, daß einige Länder offenbar ihre bislang nicht bewältigt beträchtliche Kollaboration mit dem Dritten Reich durch eine besonders negativ Österreich-Berichterstattung zu kompensieren trachten. Das gilt wohl insbesondere fü Belgien und die Niederlande, die bekanntlich beachtliche Kontingente nicht nur in de Waffen-SS gestellt haben.

In welchem Ausmaß selbst in der Bundesrepublik Deutschland -– trot unvergleichlich objektiverer Berichterstattung in den Medien – mit zweierlei Ma gemessen wird, zeigt folgender Ausspruch. Es habe doch keinen Sinn, eine Partei ewi auszugrenzen. Sie habe ihren Erfolg bei den Wählern, daher müsse man ihre "plump Stigmatisierung" durch irgendwelche Bedenkenträger "aufbrechen". Ma könne diese Partei trotz ihrer unklaren Haltung zur diktatorischen Vergangenheit de Landes nicht nur in den Bundesländern, sondern ruhig auch im Bund an der Regierun beteiligen – wenn man sich auf eine gemeinsame Politik einigen könne. So könne ma dazu beitragen, daß diese Partei "die Rolle einer normalen Partei in der Demokrati finden" würde.

Diese Sirenentöne stammen nicht von einem Befürworter einer schwarz-blauen Koalitio in Österreich, sondern von Oskar Lafontaine, der sich damit gegen eine Ausgrenzung de SED-Nachfolgepartei PDS aussprach – ohne jene Kritik zu ernten, die heut Befürwortern ei-ner ÖVP-FPÖ-Koalition entgegen-schlägt, wobei die FPÖ wohl kau auf eine Stufe mit der PDS gestellt werden kann. A. v. A
 
     
     
 
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